Der Parlamentarische Abend des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen (VDM) am 14. Mai in Berlin steht heuer unter dem Motto: „120 Jahre VDM – Wirtschaften im Einklang mit der Natur“. Geladen sind u.a. die wirtschafts- bzw. umweltpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen, zudem auch Dr. Jan-Niclas Gesenhues, parlamentarischer Staatssekretär im BMUV. Vielleicht kommt auch jemand vom Landwirtschaftsministerium (BMLE) vorbei, welches 2023 die in Brüssel eingeschlummerte Richtlinie plötzlich aus dem Keller geholt hat und seitdem vor allem Nervosität generiert. Am 28. Mai, also zwei Wochen später, dürfen Verbände wie der VDM beim BMLE sagen, was sie von der neuen Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) halten, der derzeit in Vorbereitung ist.
2015 hatte der Europäische Gerichtshof in einem Urteil explizit auf die EU-Richtlinie 54 aus dem Jahr 2009 Bezug genommen, in der es heißt (Artikel 8): „Ein natürliches Mineralwasser, das aus ein und derselben Quelle stammt, darf nicht unter mehreren gewerblichen Kennzeichen in den Handel gebracht werden.“ Seltsamerweise interessierte das hierzulande niemanden, bis das BMLE – womöglich zum Zweck der vorbeugenden Verbraucheraufklärung – einen ähnlichen Passus in den Entwurf der neuen MTVO platzierte. Seitdem laufen hinter den Kulissen die Drähte heiß. Vor allem die Formulierung „gewerbliches Kennzeichen“ durchläuft gerade alle denkbaren Interpretations-Ebenen. Sie wird weder in der Mineralwasser-Richtlinie noch in der bisherigen MTVO noch in anderen Gesetzen oder Verordnungen definiert, auch nicht in anderen Gesetzen und Verordnungen. Sind also Marken, Handelsnamen und Unternehmenskennzeichen „gewerbliche Kennzeichen“?
Das Schlimmste, was der Branche passieren könnte, ist folgendes Szenario: Die meisten Mineralwasser-B-Marken würden auf einen Schlag verschwinden, Handelsmarken auch. Und die gute alte Perle wäre wahrscheinlich auch am Ende.
Laut INSIDE-Mineralbrunnen-Hitliste (Ausgabe 943) füllten alleine die TOP 13 der deutschen Brunnen im Jahr 2023 rund 8,8 Mrd Liter Mineralwasser als B-Marken ab. Rund die Hälfte davon entfielen allerdings auf die reinen B-Marken-Abfüller MEG (4,27 Mrd Liter) und Aldi (1 Mrd Liter). Aber auch Hassia (221 Mio Liter) und die Hövelmann-Gruppe (338 Mio Liter) hielten bei einem zudem auch großen A-Marken-Portfolio mit. Nicht zu vergessen Rhönsprudel (168 Mio Liter), Franken Brunnen (234 Mio Liter) sowie Hochwald-Sprudel (198 Mio Liter). Außen vor bleiben freilich die klassischen A-Marken-Brunnen: Adelholzener, Gerolsteiner, Danone und die meisten kleineren regionalen Brunnen, die auch im VDM vertreten sind.
Der kurze Draht in die Staatskanzleien
Längst kursieren u.a. beim VDM Gedankenpapiere, wie man die Sache noch diplomatisch hinbiegen kann. Man will vor allem nicht so laut Gräben aufreißen, dass in Brüssel schläfrige Bürokraten wach werden. Als wichtigen Verbündeten hat man mittlerweile den Bundesverband des Lebensmittel-Einzelhandels (BVLH) ausgemacht, der als Vertreter der vier großen Lebensmitteleinzelhändler „von den anvisierten Änderungen ebenso stark betroffen wäre wie die Mineralbrunnen“, wie es in dem Schreiben heißt. Und womöglich auch bei der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), deren Gf Christoph Minhoff am 14. Mai beim Parlamentarischen Abend einen Impulsvortrag halten darf.
Dass womöglich nicht alle deutschen Brunnen die Aufregung um das Fallbeil „Eine Quelle - eine Marke“ gleichermaßen begleiten wie der Wettbewerb, sorgt noch für ein nettes Apercu in der politischen Diskussion. Die MTVO als Verordnung wird vermutlich im August nur vom Bundesrat, nicht aber vom Parlament beschlossen – ist also verfahrenstechnisch gesehen Ländersache. Und in die jeweiligen Staatskanzleien ist der Weg für die meisten lange nicht so weit wie nach Berlin.
Artikel aus Heft 948