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#938

Edekas Loverboy auf Brunnenfang

Heinekens neue Weide in Weiden

Trouble-Shooter: Paul Groen

Wachstum rasant. Performance brisant. Heineken Deutschland kann in der Logistik nicht mit der Absatz-Entwicklung Schritt halten. An der Rampe in Duisburg hakt es massiv.
Ein neues Lager im Südosten der Republik soll die schon seit langem angespannte Lage entschärfen.

Heineken Deutschland, mittlerweile auf über 1,3 Mio hl gewachsen, kämpft seit längerem mit allerlei Problemen an der von Bohnen Logistik (gehört zur Duisport-Gruppe) betriebenen Deutschland-Rampe in Duisburg. Lange Wartezeiten und miese Warenverfügbarkeit bilden nur einen Teil der Mängelliste ab. Entsprechend war Heineken, das sich bislang in Deutschland (außer der seltsamen 30% Beteiligung an Paulaner) noch immer nicht zum Kauf einer eigenen Brauerei durchringen konnte, schon länger auf der Suche nach einem neuen Lager. Nun ist der Konzern fündig geworden. In der Oberpfalz. Dazu hat man einen alten Partner, der im Hintergrund über all die Jahre weiter verbandelt blieb, im großen Stile reaktiviert. Die Sirl Interaktive Logistik richtet momentan in Weiden ein neues, 28.000 qm großes Zentrallager für Heineken Deutschland ein. Ab 1.1.24. wird sich der Dienstleister mit Sitz in Unterschleißheim bei München um Lagerung, Kommissionierung und Konfektionierung von verschiedenen Bier- (Heineken, Desperados, Gösser, Birra Moretti) und Cider-Produkten (Bulmers, Apfel Räuber, Strongbow) sowie das Leergut-Management kümmern.

Warum eigentlich Weiden?

Die Lage des neuen Standorts in Weiden verwundert. Logistik-INSIDER wissen, dass es sich bei dem angemieteten Objekt um die ATU-Immobilie an der Bundesstrasse 22 handelt. Die auf Industrie-Immobilien spezialisierte CTP-Gruppe soll in den Weiden-Deal involviert sein. Am neuen Standort sei genug Freifläche für Leergut vorhanden und der Preis vernünftig, heißt es. Ebenso sei die bevorstehende CO2-Maut für Lkw ein wesentlicher Aspekt, da vor allem regionale Kunden künftig nicht mehr gewillt sein werden, für die Beschaffung durch die halbe Republik zu tingeln.

Heineken lässt auf INSIDE-Nachfrage wissen: „Unser neues Zentrallager in Weiden in der Oberpfalz ist aufgrund der geografisch gut angebundenen Lage und Nähe zu unseren Kunden in der Region ein entscheidender Faktor für den Ausbau unseres Logistiknetzwerks in Deutschland und bietet darüber hinaus am Standort weitere Wachstumsmöglichkeiten, die wir zukünftig nutzen können.“ Weiden werde ebenso wie Duisburg das bestehende Heineken Deutschland-Portfolio vertreiben. Die tschechischen Heineken-Marken Březňák, Krušovice und Zlatopramen, die bis zum abrupten Ende Anfang des Jahres über Heike Winters autarke Drinks Union ihren Weg über die Grenze fanden, werden trotz der Nähe zu Tschechien nicht an der Rampe in Weiden verfügbar sein. Das Březňák-Aus ist endgültig.

Bewährungsprobe für neuen Lieferketten-Boss

Supply Chain Direktor Paul Groen erklärt, dass es sich dabei um ein Investment „in eine zukunftsfähige und nachhaltigere Logistik“ handle. Heineken wolle den erhöhten Produktkapazitäten gerecht werden, die Transportwege verkürzen und seine Kunden effizient und flexibel mit dem eigenen Markenportfolio beliefern. Der ehemalige Procter & Gamble-Mann ist seit 2013 bei Heineken. Dieses Jahr wurde Groen, Jahrgang 1980, als Folge der anhaltenden Schwierigkeiten ins Management-Team berufen und muss sich mit dem Projekt Weiden als Trouble-Shooter beweisen.

Die ewige Suche nach dem Perfect Match

Mit dem neuen Zentrallager muss die Logistik-Performance endlich verbessert werden. Diese ist schon seit Jahren die Achillessehne der Berliner. Das lässt sich alleine aus den häufigen (nicht immer selbst verschuldeten) Wechseln der Logistikpartner ableiten. Die Misere begann vor rund 15 Jahren, als Scottish & Newcastle Deutschland in München eingestampft und bei Heineken eingeflochten wurde (INSIDE 606). Heineken schwenkte damals auf das Münchner Logistiksystem um und wurde somit zum Logistik-Kunden von van Eupen, Essen. Damit nahm die Tragödie ihren Lauf. An den insgesamt fünf Rampen (Ruhrgebiet, Dietzenbach, Hannover/Laatzen, Halle und Maisach) lief nichts wie es sollte.

Keine der Rampen entsprach den Standards eines auf Getränke spezialisierten Logistiklagers. Heineken zeigte sich von der Dienstleistung von van Eupen entsetzt. Und damals, 2010, brachte es Heineken in Deutschland gerade mal auf 130.000 hl Heineken (inkl. kleinerer Marken wie Murphy‘s, Strongbow oder Fosters) und 118.000 hl Desperados. Fachgroßhändler klagten trotzdem über fehlende Artikel. Zwischen beiden Parteien wurde es in der Folge hitzig, an juristischen Mitteln wie Abmahnungen wurde nicht gespart. Das Ende vom Lied: Dr. Knut Wolf, damaliger van Eupen-Boss, knallte seinem Antagonisten, Laurent Odinot, eine außerordentliche Kündigung auf den Tisch, machte anschließend gar alle Rampen dicht, behhielt die Ware als Pfand für ausstehende Zahlungen ein. Abholtermine der Kunden mussten storniert werden. In der Not sprang Getränkelogistiker Sirl ein, richtete im hessischen Rosbach bei Frankfurt eiligst ein Lager für Heineken ein.

Von der Notlösung zur Dauerlösung

Was als Notlösung begann, hielt letztlich doch sechs Jahre, bis Heineken Sirl zugunsten von Sostmeier, Wesel, aussortierte. Die Nähe zum Produktionsstandort Amsterdam sollte Kosten sparen. Drei Jahre später musste aber auch Sostmeier wieder dran glauben. Grund: Der Logistiker soll Probleme mit Sortierung und Leergut der auf mittlerweile über 500.000 hl großen Deutschland-Unit gehabt haben (INSIDE 820). Neuer Partner seitdem: Bohnen Logistik. Und jetzt eben auch wieder Sirl. Mit der Zwei-Rampen-Lösung soll das Dilemma rund um Warenverfügbarkeit, lange Wartezeiten etc. endlich der Vergangenheit angehören. Logistik-Experten unken, Heineken hätte sich viel Ärger und Kosten in den vergangenen Jahren sparen können, hätte man 2016 das Lager im zentral gelegenen Rosbach samt Betreiber Sirl nicht zum Teufel gejagt.       

Artikel aus INSIDE 938