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#936

Schön und Gorki: Vier Fäuste für den GAM

Das große Kohlensäure-Mysterium

Es war das alljährlich wiederkehrende Szenario, 2022 aber wurde es ganz schlimm: Brunnen und Brauern ging CO2 aus, die Preise schossen in unbekannte Galaxien. Und 2023? War plötzlich alles vorbei. Kein Notstand mehr, keine Force Majeure. Schon schleicht sich wieder der Schlendrian ein. Ist die Branche auf einen neuen Notstand vorbereitet?

Um überhaupt noch produzieren zu können, überwiesen Hersteller 2022 bisweilen astronomische Summen von über 1.000 Euro pro Tonne CO2 an Lieferanten, die mit dem Verweis auf Force Majeure schier Narrenfreiheit hatten – und dann oft wieder erstaunlich lieferfähig waren (INSIDE 913). Das führte nicht nur zu einer gut gemeinten Tauschbörse des Bayerischen und des Deutschen Brauer-Bundes; hin und wieder mussten mit Blick auf grandios verhagelte Deckungsbeiträge auch B- und C-Brunnen-Marken dran glauben (u.a. bei Förstina, S. 10).

Davon war 2023 entgegen allen Prognosen nichts mehr zu spüren. Der Preis für die Tonne CO2 pendelte sich zwar bei rund 300 Euro/Tonne und damit beim Dreifachen der noch vor dem Ukraine-Krieg bezahlten Summen ein – knapp wurde es aber nicht wirklich. Auch eng mit der Materie vertraute INSIDER können die Kausalkette, die zur ungewohnten Nahversorgung führte, nicht lückenlos nachvollziehen – zumal es kaum strukturelle Veränderungen auf Produktionsseite gab. Immerhin nahm BASF entgegen früheren Ankündigungen zumindest eine Anlage wieder ans Netz. Auch in den neuen Bundesländern, bei Wittenberg, haben die Stickstoffwerke Piesteritz eine solche Anlage wieder hochgefahren.

Letztlich war es wohl die Verquickung günstiger Umstände, zumindest aus Sicht der Einkäufer: Kaufzurückhaltung beim Endkunden, neue europäische Distributionswege für CO2, neue Ersatztechnologien, eine höhere Bevorratung  vor Ort und ein mittlerweile unübersehbarer Ausbau von Biogas-Kapazitäten. Auf einer Fläche von mehr als 13 Hektar in einem Gewerbegebiet nahe der Kleinstadt Friesoythe bei Cloppenburg entsteht derzeit eine der größten Biogasanlagen Europas; weitere derartiger Mega-Factories sind bereits fertig oder stehen noch im Bau. Zumindest für technische Prozesse sind die dort gewonnenen Gase dem Verbraucher dann auch emotional vermittelbar. Die Verwendung in Getränken hat hingegen noch immer eine gewisse Duftnote, bildhaft gesprochen.

Die 2022 u.a. vom bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ins Spiel gebrachte CO2-Gewinnung aus der Zementherstellung wird derzeit zwar in Pilotprojekten bei Rohrdorf (Lkr. Rosenheim) und  bei Münster getestet; zu einer signifikanten Beruhigung der Lage trägt das alles noch nicht bei – was vor allem in der Braubranche manch Verantwortlichem Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Den wohlfeilen Aufrufen aus 2022, die Anschaffung kleinerer CO2-Rückgewinnungsanlagen zu erwägen, ist nach all der Aufregung erstaunlich wenig gefolgt nach dem Motto: Es holt keiner den Feuerlöscher aus der Ecke, solange es regnet.

Artikel aus INSIDE 936