Der alljährliche und2022 besonders massive CO2-Mangel (INSIDE 910) in den Sommermonaten bleibt nicht folgenlos: Die rund 100.000 hl große Westerwald-Brauerei aus Hachenburg setzt ab Herbst auf CO²-Rückgewinnung. Die Pilotanlage der Firma Wellmann Anlagentechnik aus Halle/Westfalen - es ist die erste dieser Art von Wellmann - soll jährlich rund 500 t CO² auffangen, das bei der Gärung der Biere entsteht. Die Brauerei möchte so nach eigenen Angaben die Arbeitsplätze der 100 Beschäftigten sichern, indem sie weniger von Zukäufen abhängig ist, und gleichzeitig den CO²-Ausstoß in den Scopes 1-3 um 12 % reduzieren - allein in den Scopes 1 und 2 sollen es sogar über 50 % sein. Das übergeordnete Ziel: Klimaneutralität aus eigener Kraft bis zum Jahr 2030.
Mit dem Projekt werden die Hachenburger wohl nicht die Letzten gewesen sein. Der geschäftsführende Gesellschafter von Anlagenproduzent Wellmann, Gerhard Wellmann, sagt: "Wir beobachten, dass CO²-Rückgewinnung ein Thema ist, das aktuell in der Braubranche heiß diskutiert wird. Wir sehen hierfür einen größeren Markt.“ Und das, obwohl INSIDER wissen: Rein wirtschaftlich betrachtet rechnen sich CO²-Rückgewinnungsanlagen für Brauereien unter 150.000 hl nur bei entsprechend hohen CO²-Preisen.
Allerdings hat sich 2022 gezeigt: Wenn kein CO² mehr verfügbar ist, hilt die beste Kostenkalkulation nichts. Die Lieferanten, die de facto ein Oligopol haben, hatten reihenweise die Force Majeure-Klausel gezogen (INSIDE 913). Kohlensäure war für manche Hersteller gar nicht mehr oder nur zu Mondpreisen verfügbar (INSIDE 910 und 911). Immer wieder fuhren Brauer die Produktion von Limonaden runter, etwa Aldersbacher, die Privatbrauerei Schweiger, Markt Schwaben, Nordbräu,Ingolstadt, die Aktienbrauerei Kaufbeuren oder die Apoldaer Brauerei aus Thüringen. Der Bayerische Brauerbund hatte daraufhin in Windeseile eine Solidaritätsaktion unter Brauern aus dem Boden gestampft, an die sich auch der Deutsche Brauer Bund anschloss (INSIDE 912). Auch Brunnen ohne eigenen CO²-Zugang waren betroffen, während autarke Player wie Gerolsteiner die Sache entspannt sahen.