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Ökobilanz? Lieber nicht.

Vor einem Jahr überwies der Bundestag dem Umweltministerium auf Antrag der CDU 400.000 Euro für eine neue Ökobilanz für Getränkeverpackungen. Schon damals galt das Geschenk als vergiftet. INSIDE-Recherchen ergaben jetzt: Das Projekt ist beerdigt, eine neue Ökobilanz wird es nicht geben. 

Vor einem Jahr überwies der Bundestag dem Umweltministerium auf Antrag der CDU 400.000 Euro für eine neue Ökobilanz für Getränkeverpackungen. Schon damals galt das Geschenk als vergiftet. INSIDE-Recherchen ergaben jetzt: Das Projekt ist beerdigt, eine neue Ökobilanz wird es nicht geben. 

Fünf Monate vor der Bundestagswahl (mit einer wahrscheinlichen grünen Beteiligung) rüsten sich Einweglobby wie Mehrwegfraktion für die finale Schlacht. Es gibt mehr zu verlieren als zu gewinnen. Die Grünen plädieren im Gleichschritt mit Deutscher Umwelthilfe (DUH) und Mehrweglobbyisten für eine Sonderabgabe („Lenkungsabgabe“) auf Einweg-Getränkeverpackungen. Die Gegenseite verweist auf die monströse Artenvielfalt im Mehrwegbereich, Transportwahnsinn und CO2-Ausstoß. Verzweifelt fordern maßgebliche Einwegverbände seit Jahren eine neue Ökobilanz. Doch daraus wird wohl nichts.

1995 hatte das dem Umweltministerium unterstellte Umweltbundesamt (UBA) zuletzt eine Ökobilanz erstellen lassen; sie wurde im Jahr 2000 angepasst und 2002 (ergänzt um perspektivische Berechnungen) nochmal aufgelegt. Seither passierte von dieser Seite nichts mehr. 2010 präsentierten Beverage Can Makers Europe (BCME) eine von ihnen beauftragte IFEU-Studie, die adhoc von der Mehrwegseite zerrissen wurde, ebenso wie Anfang 2014 eine von der Deutschen Ernährungsindustrie und dem Handelsverband bezahlte Deloitte-Untersuchung. 2019 wurde dem IFEU - Institut für Energie- und Umweltforschung dann nochmal die zweifelhafte Ehre zuteil, von der DUH wegen eines Gutachtens einer Ökobilanz zu Getränkekartons und Mehrwegflaschen als „Musterbeispiel für Greenwashing“ abgewatscht zu werden.

 

Wohl auch deshalb wählten Parlamentarier der von der Einweglobby auserkorenen CDU im selben Jahr 2019 den mutmaßlich unverdächtigeren Weg und stellten via Bundestagsbeschluss 400.000 Euro für das Bundesumweltamt in den Haushalt. Begründung: „Für die Festlegung einer verbindlichen Quote für Mehrwegverpackungen ist eine Ökobilanz erforderlich.“ Punkt. Aus. Und: vergessen.

„In den mittelfristigen Szenarien bis 2050 wandelt sich die verfügbare Rohstoffquelle grundlegend“ (aus dem UBA-Papier).

Die so heiß ersehnte neue Ökobilanz ist beim UBA mittlerweile – darauf deuten Unterlagen und Gespräche mit INSIDERN aus den Ministerien hin – mittels einer ebenso monströsen wie nebulösen „Leistungsbeschreibung“ in eine „Ökobilanzielle Analyse von Optimierungspotenzialen bei Getränkeverpackungen“ verwandelt worden. Angeblich sei eine umfassende Bilanz nicht für 400.000 Euro zu machen. Stattdessen werden in einem 13-seitigen Papier zwei Ökobilanzierungen ausgeschrieben; „unter Rahmenbedingungen 2030“ und „unter Rahmenbedingungen 2050 (dekarbonisierte Wirtschaft)“. Für eine tatsächliche Bilanz ist dann kein Geld mehr übrig.

Man musss kein Einweglobbyist sein um festzustellen, dass eine neutrale Klärung der Frage, welche Verpackung ökologisch besser ist, derzeit politisch nicht gewünscht ist. Der Clash um die Deutungshoheit zwischen Einweg- und Mehrwegbefürwortern bleibt außerhalb der Behörden. Immerhin: Während nicht nur  ProMehrweg-Chef Günther Guder weiter die „Abfallhierarchie“ (Vermeidung vor Verwertung) beschwört, hält das UBA für Einweg ein kleines Zuckerl parat: „Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegsystemen wurden unter anderem auch mit Erkenntnissen aus früheren Ökobilanzen gerechtfertigt. Neuere Erkenntnisse zeigen aber auch, dass bestimmte Einwegverpackungen in bestimmten Getränkesegmenten sich ökologisch deutlich verbessert haben.

Vermutlich, so ahnen es auch Dosen-Verfechter, hat sich nur der Sound verändert. An der grundlegenden, politischen Haltung hat sich nichts getan. Zuletzt 2017 postulierte das UBA kurzum: „Mehrwegflaschen sind umweltfreundlicher als Einwegflaschen.“       

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