Storytelling ist beim Bier seit jeher wichtig. Eine glaubhafte Geschichte haucht dem Produkt Identität ein und kurbelt im besten Fall die Verkäufe an. Doch gute Storys locken auch Nachahmer.
Wann immer eine Brauerei eine gute (Marketing-)Idee hat, dauert es nicht lange, bis die Wettbewerber nachziehen. Beispiele dafür gibt es viele. So fischt Bitburger jetzt mit Eifelbräu Landbier im Grevensteiner-Teich. Krombacher eiferte Veltins‘ nostalgisch anmutendem Pülleken, ein Helles in der 0,33er Euro-Flasche, mit einem Pils, abgefüllt ebenfalls in die 0,33er Euro-Pulle samt Retro-Etikett („Lass uns einen krombachern“) nach. Allerdings ohne Erfolg. Anders sieht die Sache bei den Augustiner- oder Tegernseer-Copycats aus. Allen voran Bayreuther Hell, eine frei erfundene Marke, die die 500.000 hl ins Visier nimmt. Nachahmen kann sich also durchaus lohnen.
Für das Original sind Nachbeter immer lästig. Die 2015 ebenfalls in Anlehnung an die großen Hellbiermarken erfundene und mittlerweile in Richtung 200.000 hl marschierende Retro-Lady Mooser Liesl zieht bis heute einen ganzen Schwarm an Retro-Me-toos hinter sich her, insbesondere in einem Umkreis von 150 Kilometern rund um München. Mittlerweile fokussieren sich findige Brauer auf echte oder auch nur vermeintliche Familienchroniken. In Zusmarshausen bei Augsburg hat Schwarzbräu-Inhaber und Geschäftsführer Leopold Schwarz im April 2019 das Hellbier Marie Hausbrendl auf den Markt gebracht. Ein Bier, das Schwarz seiner eigenen Großmutter gewidmet hat. Die nach eigenem Bekunden wahre Geschichte dazu, wie sein Großvater Konrad Schwarz seine Marie kennengelernt hat und wie Marie zur „beliebten Wirtin im Schwarzbräu-Bräustüberl“ wurde, lässt Schwarz in einem knapp einminütigen Werbevideo erzählen. Die Marke kommt an – nicht nur in Bayern und Ba-Wü, wo es eine Listung in allen Finkbeiner-Märkten gibt. Mit Getränke Hoffmann hat die rund 100.000 hl große Schwarzbräu einen nationalen Kunden, der die Marie in Berlin und NRW verkauft. Mittlerweile hat Schwarz INSIDERN zufolge mit Marie Hausbrendl bis Jahresende die 30.000 hl fest im Blick.
Die kleine Erfolgsgeschichte blieb der regionalen Konkurrenz nicht verborgen. In direkter Nachbarschaft durchforstete die Günzburger Radbrauerei ihr Familienarchiv. Seit diesem Sommer gibt es nun Rosa‘s Märzen Spezial (neben Georg‘s Helles), eine Homage von Radbrauerei-Chef und -Inhaber Georg Leonhard Bucher an seine Großeltern. Fürs Storytelling greift auch Bucher auf ein Video zurück, das (zufällig?) in Art und Aufmachung an Marie Hausbrendl erinnert. Und auch in Dorfen huldigt Babsi Lohmeier-Opper vom Bräu z‘Loh ihre Oma mit dem Hellbier Bräu Mare und dem Slogan „Jede Zeit hat ihre Heldin“. In Straubing bei der Karmeliten Brauerei schickt indes Gf Christoph Kämpf die Marie ins Rennen. Sie soll auf Maria zurückgehen, die Ehefrau von Karl Sturm, der einst die Brauerei vom Kloster des in Straubing ansässigen Karmeliten-Ordens abkaufte. Wir sind gespannt, welche Brauerei als nächstes ihre Oma aus dem Sudkessel zaubert und sodann freundlich vom Etikett grüßen lässt.
Artikel aus INSIDE 890