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#897

AB Inbev sondiert wieder: Grabbelkiste Deutschland

INSIDE-Hell-Hitliste 2021

Die Sorte marschiert. Laut Strobls Bierradar (INSIDE 895) konnte Hellbier im letzten Jahr im Handel um 12,9% im Absatz zulegen. Dem Umsatz nach waren es sogar 15,7%. Die Erfolgssorte hat längst alle großen Player angelockt. INSIDE hat sich die Absatzentwicklung der größten Hellbier-Marken im Jahr 2021 angesehen.

Die Nervosität bei den Platzhirschen nimmt zu. Tegernseer, wo Geschäftsführer Christian Wagner trotz erheblicher Investitionen in die Technik in den vergangenen Jahren gerne mal den einen oder anderen Engpass einstreute, ist seit geraumer Zeit auffällig lieferfähig. Beim Marktführer Augustiner (der dank Nielsen-Präsentationen weniger hinter dem Mond lebt, als gemeinhin angenommen) wird angesichts der Wettbewerberflut über eine zarte Neuorientierung sinniert. Die teure Gastro-Strategie wird fortgesetzt, u.a. mit einem neuen Flaggschiff-Wirtshaus am Kölner Heumarkt (INSIDE 883). Bayerische Biermarkt-Seismographen registrieren aber auch erstmals so etwas wie Gespräche mit dem Handel. Aktuell investiert Augustiner am Logistikzentrum in München-Freiham in weitere Abfüllkapazität.

Der Hellbiermarkt wird weiter von mittelständischen Brauern dominiert, die auf Preisattacken verzichten. Abzulesen in geringen Aktionsanteilen und Durchschnittspreisen, die im letzten Jahr stolze 4,50 Euro je Kiste über denen von Pils lagen.

Die großen Player des deutschen Biermarkts, die den Hellbiertrend lange für süddeutsche Folklore hielten, haben Antworten geschnitzt. Und rollen diese mit den üblichen Mechanismen und Konditionen im Markt aus – keiner so gut wie Veltins, das mit dem Hellen Pülleken den urwüchsigen Trend von einem bayerischen Absender entkoppeln konnte. Retro und mildes Bier, so die klare Botschaft, lässt sich auch in anderen Regionen umsetzen.

Der Marktführer bleibt da eher bayrisch. Die Radeberger Gruppe baut zwar weiterhin hauptsächlich Pils an, doch sind aus den Hellbiersetzlingen veritable Pflanzen geworden. Kloster Scheyarn wuchs 2021 um 8% auf 65.000 hl, das 2020 begonnene Blaue Kiste-Euroflaschen-Projekt Oberdorfer schoss im zweiten Jahr auf 61.000 hl. Einschließlich der Hellbiere der insgesamt 350.000 hl großen Marke Allgäuer Büble besetzt Radeberger inzwischen schon über 300.000 hl im Hellbier-Feld.

Krombacher-Chef Bernhard Schadeberg, der mehr als einen Fuß beim erst 2015 gegründeten Starnberger Brauhaus drin hat, verfolgt eine Gastro-Strategie. Flankiert (wie bei Augustiner) mit eigenen Wirtshäusern. Mit Schadebergs engem Geschäftspartner Kent Hahne (Apeiron) und dessen Sohn Tyler als Wirt entsteht just in Nachbarschaft zum großen Vorbild am Kölner Heumarkt eine erste Starnberger Alm. Auch der Krombacher-Außendienst soll anschieben. 80.000 hl (wovon Starnberger 2021 nicht die Hälfte erreichte) sind in der gerade erst neu errichteten Anlage möglich, Geschäftsführer Florian Schuh hat bereits das nächste Grundstück ins Visier genommen. Dort könnte Kapazität für zunächst 250.000, dann 500.000 hl entstehen.

Mit Leitgastronomie will auch Bitburger die Ambitionen für die inkl. Weizen und Ausland schon  315.000 hl große Lizenzmarke Benediktiner untermauern (S. 16). Im Inland lag Benediktiner Hell bei rund 120.000 hl .

Die Top-Marken sind schneller gewachsen als ihre Brauereien. Kapazität bleibt das Hauptproblem für Hellbier.

Keinen Zuwachs im zweiten Halbjahr 2021 holte die Nummer Zwei im Ranking, Bayreuther Hell. Und das mit Absicht. Aufgrund von Kapazitätsengpässen hatte Inhaber Jeff Maisel im Mai die Reißleine gezogen und den Handel um ein Aussetzen aller Aktionen gebeten (INSIDE 877). Das zeigte offenbar Wirkung. 2022 aber sollen die 500.000 hl endgültig für Bayreuther fallen. Die neue Brauerei indes soll Ende 2023 ans Netz gehen.
Genügend Kapazität und Versorgungssicherheit für den Handel können indes die übrigen Münchner garantieren, die noch in den allerletzten Wagon des Hellbier-Zugs gesprungen sind. AB Inbevs Spaten ist im Inland bald größer als im Export (auch wegen des Ukraine-Kriegs, vgl. S. 6ff). Die Paulaner-Gruppe ist gleich dreifach in der Hitliste vertreten, dazu kommt die Bügelmarke Mönchshof von der Halbtochter Kulmbacher.  

Die unberührte, konditionsfreie Wildnis gehört der Vergangenheit an. Dennoch sind die oft in der Euroflasche geholten Hell-Hektos für viele süddeutschen Regionalbrauer zu einer wichtigen Stütze geworden.

Neben Mooser Liesl von Arco spielen einige andere Provinzbrauer national mit. Vorneweg Flötzinger in Rosenheim, blitzsauber aufgebaut von Gf Lorenz Stiglauer und seinem Vertriebs-Senior Wilfried Kurz. Allein mit Hell dreht Flötzinger inzwischen 100.000 hl. Aktuell wird investiert. Am brauereieigenen Gelände am Rosenheimer Stadtrand verfügt Flötzinger über genügend Expansionsfläche.        

Artikel aus INSIDE 897