Am Malzmarkt geht es so brutal zu wie lange nicht mehr. INSIDER befürchten infolge der toxischen Mischung aus Rohstoffkrise, langfristigen Kontrakten und immer stärkeren Auflagen der Lebensmittelüberwacher eine Marktbereinigung heftigsten Ausmaßes.
Spätestens seit einem unangekündigten Besuch der Kulmbacher Außenstelle des bayerischen Amtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bei der Mälzerei Johann Zeitler (Kunde u.a. Augustiner) im Februar 2021 hängt der Stresspegel auch bei anderen Betrieben der Branche hoch. Zumindest ein weiteres bayerisches Werk (in diesem Fall des Malz-Primus‘ Malteurop) rückte im Sommer in den Fokus der Behörde. Mit dem einmaligen Besuch der Ermittler ist es oft nicht getan; INSIDER wissen von einem Fall, bei dem nachträglich Umbauten im hohen sechsstelligen Betrag fällig wurden. So etwas ist für Mittelständler kaum zu stemmen – in der angespannten Marktsituation derzeit schon gleich gar nicht.
Wer sich bei der Ausgestaltung der Malzkontrakte verpokert hat, zahlt Tribut. Schätzungen gehen davon aus, dass die verfügbare Gesamtmenge an Braugerste 30% niedriger ist als üblich. Die Braugerstenproduktion in der EU wird auf nur noch 9,9 Millionen Tonnen für die Ernte 2021 gegenüber 14,0 Millionen Tonnen für die Ernte 2020 geschätzt. 5-10% kleinere Körner führen zudem zu geringerer Ausbeute. Euromalt, die European Malting Association, hat in diesem Jahr ein Defizit von 200.000 Tonnen Sommergerste für die Malzproduktion auf dem europäischen Markt berechnet.
Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen ist der Preis für Sommergerste FOB Creil von 180 Euro pro Tonne auf jetzt 360 Euro pro Tonne gestiegen. Mittlerweile berichten INSIDER aber, dass manche kleineren Mälzereien gar keine Gerste mehr oder nur noch zu wesentlich höheren Preisen bekommen, weil Agrarhändler die Ware mit Aussicht auf höhere Preise zurückhalten. Wie sich das auf die Brauwirtschaft auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Die meisten kamen dank langfristiger Kontrakte ganz gut über das Jahr. Mittlerweile häufen sich aber laut Beobachtern Fälle, in denen Mälzer von sich aus Kontrakte stornieren – wo keine Rohware, da auch kein Malz. In solchen Fällen müssten dann Brauer auf dem Spotmarkt zukaufen und auf Stornozahlungen der Mälzer insistieren – ein Teufelskreis. Die Nase vorn haben jetzt internationale Malzkonzerne, die Malzkontrakte entsprechend absichern (oder/und selbst Gerstenanbau betreiben).
Die unlängst besiegelte Übernahme des Getreide- und Malz-Giganten Soufflet durch die französische InVivo-Genossenschaft verschafft in diesem Zusammenhang wenigstens den deutschen Ex-Durst-Standorten Bruchsal/Heidelsheim, Gernsheim und Castrop-Rauxel Planungssicherheit. Die Ankündigung von InVivo, ihren Marktanteil an der Malzproduktion binnen fünf Jahren zu verdoppeln (von 10 auf 20%), dürfte die Stimmungslage bei kleineren Mälzern jedoch nicht gerade heben.