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#933

Bit macht sich breit

Cannabis-Getränke? Bloß nicht hier

Die am Ende minimalste Kompromisslösung in Sachen Cannabis-Legalisierung hinterlässt bei Industrie und Handel Enttäuschung. Für Hersteller und Verkäufer von THC-haltigen Getränken heißt es jetzt erstmal: warten. Und warten. Und warten. Am Beispiel USA zeigt sich, wie lange das dauern kann.

Glücklich waren die Parteien der Ampelkoalition vergangene Woche nur  darüber, dass sie einen wesentlichen Teil der Koalitionsvereinbarung vor der Sommerpause noch durchs Kabinett prügeln konnten. Die dickste Kröte musste freilich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schlucken: Vom freien Verkauf von Cannabis in „lizensierten Fachgeschäften“, den Lauterbach zuvor mit Blick auf die Gesundheitsvorsorge gefordert hatte, blieb nichts übrig; stattdessen soll es, wie immer in solchen Fällen, vereinzelte Modellversuche geben. Dafür muss aber erst noch ein eigenes Gesetz erlassen werden. Kann also dauern.

Das Cannabis-Gesetz selbst muss nach der Sommerpause den Bundestag passieren. Auch der Bundesrat wird befragt, doch hier ist das Gesetz wohl nicht zustimmungspflichtig. Am Ende wird es darauf hinauslaufen: Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis wird künftig wohl straffrei bleiben; Erwachsene dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen nur für den Eigenkonsum selber anbauen oder/und sich im Umfeld diverser Cannabis-Clubs dort kollektiv einen reinziehen. Für die (Getränke-)Industrie, den Handel und die Gastronomie ist das Thema damit erstmal erledigt; weder dürfen Cannabis-Produkte hergestellt und verkauft noch darf mit ihnen gesponsort und geworben werden. War‘s das schon? Am Beispiel USA wird deutlich, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.


Die Kapitalisierung von Cannabis-Getränken könnte 2032 bei gut 7,5 Mrd Euro liegen


Euphorisiert von der Legalisierung des Cannabis-Konsums in einigen US-Bundestaaten hatten sich US-Konzerne 2018 erstmal einen reingezogen. Die neuen Reglements versprachen unermessliche Märkte. Die in Kalifornien ansässige Heineken-Tochter Lagunitas schob unter dem Label Hi-Fi Hops zwei THC-haltige Getränkemarken auf den Markt. Kurz darauf wurde der in New York ansässige Pharma- und Cannabis-Konzern Tilray als erstes Cannabisunternehmen an der NASDAQ an die Börse gebracht. Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer wurde 2019 bei Tilray Gründungsmitglied des internationalen Beirates, der bei der Umsetzung einer „offensiven weltweiten Wachstumsstrategie“ helfen sollte – was aktuell eine eigene Begrifflichkeit bekommt.

Der Markt für THC-haltige Getränke wird 2023 weltweit auf umgerechnet rund eine Mrd Euro taxiert – in den Ländern, in dem der Zugang zu ihnen legal ist. Wachstumsprognosen rechnen bis 2032 mit einer Kapitalisierung bei THC-haltigen Getränken von gut 7,5 Mrd Euro. Der Fokus der Wertschöpfungsfantasien liegt dabei auf Indien – und nicht (mehr) auf den USA. Dort ist (bis auf bei Tilray) der Schwung der frühen Jahre verschwunden. Bis heute hat es die US-Regierung nicht hinbekommen, einheitliche (und verständliche) Regelungen für den Verkauf von Cannabis aufzustellen. Die Folge ist eine Rechtsunsicherheit bei Herstellern wie Konsumenten, infolge derer sich Mastercard aus der Abwicklung von Geschäften mit Cannabis zurückzog. Der Getränkekonzern Molson Coors zog sich 2022 aus dem gemeinsam mit Hexo Corp betriebenen Joint Venture Truss USA zurück – es gebe einfach keinen kurzfristigen Weg zu einer bundesstaatlichen Legalisierung, hieß es damals. Mittlerweile hat Tilray nicht nur Truss komplett übernommen, sondern auch den Wettbewerber Hexo.

Die Sache mit der einheitlichen Regelung beurteilt man bei Tilray offenbar anders als beim Wettbewerb. Man könnte auch sagen: Der Konzern bringt sich in Stellung. Wie berichtet (INSIDE 932) hat Tilray AB Inbev acht Brauereien in den USA abgekauft (darunter Blue Point Brewing Company und Square Mile Cider Company) und den New Yorker Craft-Brauer Montauk Brewing übernommen – strategische Schritte, um dann, wenn der Cannabis-Markt geregelt ist, mit der vorhandenen Infrastruktur, den Produktionsstätten und dem Markenportfolio das THC-Feld von hinten aufzurollen. Der deutsche Markt ist davon noch Lichtjahre entfernt. Zu mehr als ein paar THC-freien Produkten (Hanfkiss von Oettinger, GerolsteinersHanf Infusion, Rockstar Energy + Hemp und der DICA-Teilnehmer CanLife) hat es bisher nicht gereicht. Immerhin sind mit Krombacher, Bitburger und Oettinger ein paar deutsche Player an Cannabis-Start-ups beteiligt.      

Artikel aus INSIDE 933