Zum Ende der Starkbierzeit hat es am Fuß des Nockherbergs geknallt. Der CEO und Technik-Chef hat ausgedient. Jetzt wollen die Shareholder, 70% Schörghuber und 30% Heineken, die nächste Stufe zünden. Mit Lehmann verliert das sorgsam austarierte Machtkonstrukt in der vierköpfigen Geschäftsführung seinen Moderator. Was kommt jetzt?
Geahnt hatte keiner etwas. Die Kollegen nicht, wohl auch Dr. Jörg Lehmann selbst nicht. Die Trennung verlief professionell und friedlich. Der gebürtige Berliner hält noch einige Monate die Stellung. Spätestens zum 30.09.2023 wird der 54-Jährige Paulaner verlassen. Nach etwas mehr als fünf Jahren. Als Grund nennt der Hauptgesellschafter Schörghuber „unterschiedliche Auffassungen über die Frage, wie das angestrebte nachhaltig profitable Wachstum des Unternehmens zu erreichen ist und wie die Paulaner Brauerei Gruppe sich hierfür organisatorisch und personell bestmöglich aufstellen soll.“ Wie das „profitable Wachstum“ aussehen soll, hat der Schörghuber-CEO, der im Juli 2019 inthronisierte Nico Nusmeier, schon kurz nach seinem Antritt formuliert. Mittelfristig, so schwor er die verdatterten Führungskräfte kurz nach seinem Antritt ein, soll die Paulaner Gruppe ein EBIT von astronomischen 100 Mio Euro erwirtschaften (INSIDE 842: „Der 100-Mio-Euro-Nico“). Damit stünde die einschließlich der Mehrheitsbeteiligung Kulmbacher Brauerei AG 6,2 Mio hl Bier (plus gut zwei Mio hl AfG davon 1,33 Mio hl Paulaner Spezi) große Gruppe an der Spitze der besten Bierverdiener, so ungefähr auf dem Niveau von Ergebniskrösus Krombacher. Nusmeiers Ambitionen kamen anfangs sogar voran. Doch Corona machte vieles unmöglich. 2022 lag das EBIT der Paulaner Gruppe, immerhin bei rund der Hälfte.
Eingreiftruppe von Bain: De- und Transformation
Nusmeier und die Gesellschafter sind gleichwohl nicht zufrieden und holten Verstärkung. Vor gut einem Jahr gingen bei Schörghuber die Berater von Bain an Bord, um einen „Transformationsprozess“ in der Gruppe zu begleiten und alle Abteilungen des Konzerns zu durchleuchten. Die Funktionen der Holding wurden eingedampft, wohl auch um die Sparten beweglicher zu machen. Alexandra Schörghuber, 64, will etwaigen Streitigkeiten ihrer Kinder Florian, 28, Michaele, 31, und Stefanie, 32, vorbeugen und offenbar eine Aufteilung zumindest theoretisch denkbar machen. Transformiert wurde auch das Management. Florian Schörghuber darf seit einem Jahr als Co-CEO neben Nusmeier auf der Vorstandsbrücke stehen. Dazu wurde mit Dorint-CEO Karl-Heinz Pawlizki ein neuer Chef für die Hotelsparte Arabella Hospitality geholt, letzten Sommer dann Marcel Wnendt als Geschäftsführer der Immobiliensparte Bayerische Hausbau installiert. Nun wird auf Anraten von Bain und der Gesellschafter auch der Getränke-Chef ausgetauscht. In der Foodwelt wurde schon vor einigen Wochen ein Headhunter gespottet, der mit der Suche nach einem neuen CEO für Paulaner beauftragt sein soll. Der soll die nächste Stufe zünden und die weiterhin riesigen Potenziale heben, die Nusmeier und die Familie Schörghuber in ihrer Brauereigruppe entdeckt zu haben glauben.
Der neue Paulaner-CEO soll mitbringen: Mehr Blick nach außen, mehr Marktorientierung, mehr Strategie, mehr „profitables Wachstum“. Der brave Lehmann hat seinen Dienst getan. Vor fünf Jahren wurde er von der Schwester Kulmbacher zu Paulaner abkommandiert. Jetzt half auch nicht, dass er die Bain’schen Anforderungen mit zwei neuen Abteilungen unterstützte. An Lehmann berichten die zur „Director Transformation“ umgewandelte Katrin Schilz (Ex-GFGH-VKD) und der von der GES geholte Alexander Berger als neuer „Director Strategy and Business Development Director“. Der frühere Hasseröder-Mann Lehmann musste den durch Fehlplanungen völlig aus dem Ruder gelaufenen Brauereineubau in Langwied in die Spur bringen. Und wurde nach dem Rausschmiss von CEO Roland Tobias im Mai 2018 erst provisorischer Sprecher der Geschäftsführung und schließlich CEO. So war Paulaner der einzige größere Bierplayer, der von einem Techniker angeführt wurde. Mit seinem Abgang bekommt die Geschäftsführung am Nockherberg eine ganz neue Konstellation. Dort sitzen neben Lehmann der Ex-AB Inbev-Mann Raphael Rauer als Geschäftsführer Vertrieb (Handel und Export), der von Heineken zurückgeholte Finanz-Gf Sebastian Strobl sowie die „Brauchtumshaubitze“ Andreas Steinfatt, der die Brauerei als Gesicht nach draußen bei den zahlreichen Events (Starkbierprobe, Wiesn, etc.) repräsentiert, aber auch als Gf für Marketing und Gastronomie verantwortlich zeichnet, wo er von den Direktoren Henner Höper und Georg Schwende unterstützt wird. Lehmann, dessen ausgleichende Art auch beim Deutschen Brauer-Bund geschätzt wird, wo er nach zwei Amtszeiten in diesem Sommer als Präsident ausscheiden muss, fungierte bei Paulaner mehr als Moderator, denn als Regent. Das kann sich bei seinem Nachfolger ändern.
Artikel aus INSIDE 924