Seit die Preise für Orangensaftkonzentrate durch die Decke gehen, fragt sich manch einer, wie lange er das noch durchhalten soll. Aufgeben ist für Fruchtsaftproduzenten ja auch keine Lösung.
Krisenzeiten haben immer was Gutes – wenn man auf der richtigen Seite steht. Die in Sachen Aktieninvest profund aufgestellte Wirtschaftswoche errechnete jüngst Anlagechancen für Börsenaffine im Segment Organgensaft: Der Börsenpreis für Orangensaftkonzentrat sei in den vergangenen zwölf Monaten um gut 80% gestiegen, seit März 2021 habe er sich verdreifacht. Man könne durchaus mit Long-Zertifikaten auf die Kursentwicklung des Fruchtsaftkonzentrats wetten – oder ihren Konsum gegen Preisanstiege absichern. Ein Faktor-Optionsschein der Société Générale (WKN SD3YH5), so die Wirtschaftswoche, „kostete vor einem Jahr 15,60 Euro, ein Liter Orangensaft im Schnitt einen Euro. Das Zertifikat liegt heute bei 132 Euro – ergibt rund 116 Liter Gewinn“.
So smart stellt sich die Wirklichkeit am Markt für Orangansaftkonzentrate für Einkäufer und Endkunden nicht dar. An der Warenterminbörse in den USA notiert Orangensaftkonzentrat Woche für Woche auf historischen Höchstständen – kleine Kursschwankungen nach unten inbegriffen. Für das Pfund (453,6 Gramm) gefrorenen Orangensaft zur Lieferung im Juli wurden rund 2,55 Dollar bezahlt. Die Marke von zwei Dollar war überhaupt erst 2007 erstmals seit 1982 überschritten worden. Vor kurzem kratzte das Pfund an der 4-Dollar-Linie.
Die Ursachen sind vielfältig, und nicht immer ist klar, inwieweit die Not tatsächlich ist und wo der Bereich des Zockens und der Spekulation beginnt. Wer sich letzte Woche auf der Kölner Anuga umhörte, bekam die chronisch gleiche Antwort: O-Konzentrat ist knapp, am Ende entscheidet der Preis. Sicher ist nur: Viele Läger in der globalen Wirtschaft sind leer, Missernten infolge des Klimawandels schlagen gnadenlos auf die Versorgung durch. Nach dem jüngsten Marktbericht des US-Landwirtschaftsministeriums dürfte die weltweite Orangenproduktion im Wirtschaftsjahr 2022/23 um fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen. In den USA könnte die Produktion auf den niedrigsten Stand seit mehr als 56 Jahren fallen: Hurrikans haben ganze Anbaugebiete verwüstet, dann kam auch noch eine Pflanzenkrankheit dazu. In Spanien hat die Hitze zu Ernteausfällen geführt, im größten Erzeugerland Brasilien, von wo 90% der EU-Importe stammen, sind die Lagerbestände so niedrig wie selten zuvor. Und der Weg in die USA ist kürzer als nach Europa.
Die drei brasilianischen Orangensaftkonzentratproduzenten Cutrale, Citrosuco und Dreyfuss ziehen eiskalt durch, sagt ein INSIDER. Sie gehen sogar soweit, dass bestehende Kontrakte „teilweise aufgeschossen“ werden. Eine lukrative Knappheit, die womöglich noch über Jahre hinaus gehegt und gepflegt wird. Die Versorgungslage – ob künstlich verknappt oder tatsächlich so entstanden – ist brutal. Profiteure der Lage waren hierzulande bislang die Big Player der Branche: Symrise, Döhler, Wild. INSIDER rechnen indes damit, dass die großen Handelsketten (Aldi, Lidl/Kaufland etc.) für ihre Eigenmarken künftig mehr als bisher bilaterale Verträge mit Hersteller-Ländern treffen werden – insbesondere mit China, das mit aller Gewalt auf den Weltmarkt stürmt.
Wer bei allem Wettbieten um Margen und Mengen zu kurz kommt, dem bleibt vorerst der Umstieg auf andere Fruchtsorten, auf Nektare oder Direktsäfte. Oder gleich auf den Apfel. Die Apfelernte in Deutschland allerdings wurde in einem ersten Step auf nur 300.000 Tonnen taxiert – zu wenig für ein Halleluja. Mittlerweile rechnet der VdF damit, dass die Ernte noch unter den Erwartungen zurückbleiben könnte. Vielerorts werden die Liefermengen mit dem historisch niedrigen Frostjahr 2017 verglichen. Drei trockene Sommer und die natürliche Alternanz: Es gab schon mal bessere Vorzeichen für anstehende Preisverhandlungen.
Artikel aus Heft 937