Das 1972 gegründete Mehrwegsystem des Verbands der Fruchtsaftindustrie (VdF) hat schon einiges erlebt, Schieflagen inklusive. Zum 50. Geburtstag geht es dem System vergleichsweise gut. Mit Blick auf die geforderte Mehrwegquote von 70 Prozent ist noch viel Luft nach oben.
Im von Januar bis April beim Absatz um 1,7% und nach Umsatz um 3,5% wiederum rückläufigen Saft-Markt wächst der VdF-Pool weiter. Schon 2020 stand ein Plus von 16 Prozent in den Büchern. Den absoluten Mehrweg-Marktanteil beziffert VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger auf 13 %. Die Pool-Mitglieder investieren angesichts der guten Entwicklung weiter kräftig. Mit Europlast aus Österreich und Rudolph Kunststofftechnik aus Roth bei Nürnberg sind gerade zwei zusätzliche Kästen-Lieferanten zu dem bisherigen Duo Ringo Plast und Oberland M+V gestoßen. Auch der Flaschen-Pool wächst. In den vergangenen sechs Jahren wurden knapp 100 Millionen neue VdF-Flaschen, deren heutiges Design 1975 aus der Taufe gehoben wurde, in Umlauf gebracht. Das mit Abstand dominierende Gebinde ist die 1-Liter-Flasche, gefolgt von der kleineren Schwester (0,7 Liter ).
Ganz gesund war das System, das 1972 zunächst mit einer braunen Flasche mit Kronkorken startete und bis in die neunziger Jahre seine Blütezeit erlebte, nicht immer.Nach der Jahrtausendwende wurde Leergut geschreddert – allein rund 6 Mio Kästen im Wert von 3 Mio Euro zwischen 2002 und 2007. Damals gab es Krisensitzungen bei Händlern, die Vorträge hielten, welche Konsequenzen es hat, wenn das überschüssige Leergut nicht vom Hof verschwindet. Heute hat sich alles gedreht. Damals setzte der Lebensmittelhandel auf Einweg, sparte durch das Zentrallager Kosten. Dann kam Karton, dann PET bevor das Pendel zurück zum Glas schwang. Jetzt gibt es regelrechte Kämpfe ums Leergut. Die Außendienst-Truppen der Fruchtsaft-Hersteller sind angehalten, bei Kunden darauf zu achten, dass es keine negativen Leergut-Salden gibt. Sie sollen dann auch schon mal drohen, bei Engpässen diejenigen zu bevorzugen, die das Leergut besser ausbalancieren. Ein INSIDER: „Es klingt skurril, aber wir wünschen uns fast, dass es keinen guten Sommer gibt.“
Anders als bei der GdB oder dem VDM wird der Einheitspool des VdF von nur einem halben Dutzend Mitarbeiten in der Geschäftsstelle und vielen im Ehrenamt gemanagt. Volker Thoma, Geschäftsführer der Hassia-Tochter Rapps und Leiter des Technischen Ausschusses, beklagt immer mehr Regulation und Verwenderbestimmungen, die es zu bewältigen gibt. Mittlerweile kann sich der Ausschuss nur noch auf das wesentliche konzentrieren. Thoma: „Eine Riesenherausforderung.“
Zerbombte Glaswerke und Materialengpässe lassen die Preise derzeit um bis zu 50 Prozent in die Höhe schnellen. Auch das befeuert die Begehrlichkeit nach Leergut. In diesem Jahr wird die 1-Milliardste-Flasche des Systems vom Band rollen, per Ende 2021 waren es 983 Millionen. Der Großteil diese Menge entfällt auf die 1-Liter-Flasche. Eine Milliarde Flaschen entspricht 500.000 Tonnen – die gleiche Menge, die laut Glasherstellern aufgrund von zerbombten Fabriken in der Ukraine etc. auszufallen droht. Das Flaschenvolumen von 50 Jahren VdF: weg.
Verallia-Vertriebsvorstand Karsten Fuchs glaubt an die Zukunft des Pools, weil Verbraucher ihn wollten. Ob das Pfand für Einwegverpackungen (25 Cent) dem Mehrweggebinde (15 Cent Pfand) hilft, wagt er nicht zu sagen: „Die Einführung von Pfand auf PET-Einwegflaschen bei Mineralwasser hat Glas-Mehrweg für Wasser nicht geholfen, vielleicht ist dies heute aber anders.“
Artikel aus INSIDE-Ausgabe 903