Pünktlich zum 200. Jubiläum und pünktlich vor dem 30. Todestag von Rosemarie Veltins taucht ein Schatten der Vergangenheit wieder auf. Kann der enterbte Bruder Carl-Clemens Veltins tatsächlich die Gesellschafterstruktur der Brauerei durcheinanderbringen? Dort gibt man sich gelassen und widmet sich anderen Themen.
Carl-Clemens Veltins nimmt einen neuen Anlauf auf das Vermögen seiner Schwestern Susanne und Frauke Veltins. Zunächst über die Medien. Focus, Handelsblatt und Bunte berichteten breit über das Schwarze Schaf der Veltins-Familie, das nun einen Anteil des Erbes nachfordere.
Der heute 61-Jährige war noch von Mutter Rosemarie (starb 1994) enterbt worden, den Verzicht auf seinen Pflichtteil ließ er sich damals mit laut INSIDERN gut vier Millionen Mark bezahlen. Dummerweise war das Geld schnell weg, der junge Veltins stürzte ab, Bewährungsstrafen wegen Steuerhinterziehung, Konkursverschleppung und Betrugs folgte eine Haftstrafe wegen Kokainhandels und dem Besitz einer Kalaschnikow.
Hilfe vom Gaffel-Advokat
Mehrfach hatte der inzwischen Mittellose versucht, einen Nachschlag aus dem Familienvermögen rauszuholen. Doch die Versuche scheiterten allesamt. Nun hat er einen namhaften Anwalt (oder er ihn) gefunden, der offenbar Möglichkeiten sieht. Michael Falter kennt sich mit erbitterten Kämpfen um Brauereianteile aus. Seit 15 Jahren vertritt er Johannes Becker, den 38%-Gesellschafter der Privatbrauerei Gaffel, im unendlichen Kampf gegen seinen Bruder Heinrich (starb 2017) und dessen Sohn Heinrich Philipp Becker. Inzwischen ist Falter Partner bei Grant Thornton Deutschland und hat nun einen Monat vor Rosemaries 30. Todestag und vor Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist Klage eingereicht.
Im Hauptantrag ficht Falter das Testament an, in dem Carl-Clemens enterbt wurde. Es sei unwirksam, da Rosemarie aufgrund ihrer schweren Krebserkrankung „geistig insuffizient und nicht in der Lage gewesen, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Für den theoretischen Fall, dass das Gericht Falters Argumentation folgt, könnte neben Hauptgesellschafterin Susanne Veltins, 64, und ihrer minderheitsbeteiligten, aber nicht stimmberechtigten Schwester Frauke Veltins, 63, plötzlich auch der Bruder Zugriff auf die Brauerei bekommen.
Möglich ist aber auch, dass das Landgericht Arnsberg die Klage erst gar nicht zulässt. Dann bliebe noch ein Nebenantrag, in dem es um den damaligen Pflichtteil geht. Hier kann Carl-Clemens theoretisch noch auf ein Drittel des damaligen Vermögens pochen, dessen Wert er auf 130 Mio D-Mark taxiert. Die Verzichtserklärung, die er auf Geheiß seiner Mutter abgegeben habe, sei „sittenwidrig“. Allerdings müsste in diesem Verfahren erstmal die Verjährung geklärt werden, die hier anders als beim Streit ums Erbe bei nur drei Jahren liegt. Falters Winkelzug: Die Uhr tickt laut Gesetz erst ab dem Moment, in dem sein Mandant Kenntnis von der Sittenwidrigkeit erhalten hat.
Helles Lager: Vorhang auf für Fabian
In der Brauerei gibt man sich betont gelassen, es sei ja nicht das erste Mal, das Carl-Clemens an der Tür gepocht habe. Und überhaupt hätte das Thema keinerlei Bedeutung für die Brauerei. Nachvollziehbar. Schließlich stehen im 200. Jubiläumsjahr intern genug Veränderungen an. Der Generalbevollmächtigte Michael Huber, 74, wird im September tatsächlich aufhören. Und Susanne Veltins bringt ihren Neffen Fabian Veltins, 34, in Stellung. Anders als Susanne, die von jeher die Brauerei Michael Huber überließ (der wiederum Marketing- und Vertriebs-Gf Dr. Volker Kuhl, 60, alle Freiheiten lässt), will und wird Fabian wohl auch operative Knöpfchen drücken. Ausbildungen im Radeberger-Vertrieb, im Früh Kölsch-Marketing, als Vorstandsassi bei Spaniens Marktführer Mahou (u.a. San Miguel) und zuletzt als Fassbierchef von Veltins unterlegen diese Ambitionen.
Einfluss hatte Fabian bereits auf die Entwicklung der neuesten Innovation. Knapp vier Jahre nach Helles Pülleken, das zuletzt 273.000 hl erreichte, kommt nun Veltins Helles Lager.
Mit dem in grüne Flaschen gefüllten milden Bier begibt sich Veltins auf die Fährte der zuletzt hoch erfolgreichen internationalen Lagerbiere. Genauer: auf die Fährte des erfolgreichsten, Heineken. Innovativ ist die Flaschengröße: 0,275 Liter, eine Einheit, wie sie Fabian Veltins in Spanien kennenlernte.
Das grüne Mini-Pülleken ist nicht der erste Versuch, mit kleineren Einheiten zu reüssieren. Die Nachbarn aus Warstein hatten 2005 eine Warsteiner Piccola (0,25 l) aufgelegt, die allerdings schnell wieder verschwand. Die Pilskonkurrenz dürfte bei Veltins dennoch genau hinschauen: Die Trefferquote von Kuhl und seinen Marketingleuten Herbert Sollich (inzwischen selbstständig) und Stefan Wiesmann ist legendär. Mit V+, Grevensteiner und zuletzt Helles Pülleken haben sie Volltreffer gelandet.
Die Präsentation des neuesten Produkts ging trotzdem etwas unter. Just am Tag der Ankündigung von Helles Lager letzten Mittwoch setzten Bunte, Focus und Handelsblatt ihre bunt ausstaffierten Artikel über den armen Carl-Clemens ins Netz.
Immerhin: Bei Fabian Veltins‘ erstem offiziellen Auftritt als Brauerei- und Familien-Vertreter letztes Wochenende auf dem Schützen-Symposium in Meschede waren die juristischen Versuche seines Onkels kein Thema.
Artikel aus INSIDE 947