Getränkehändler und Abfüller stehen heute im Marktumfeld vor einer Reihe von neuen Herausforderungen, die eine reaktive und effektive Strategie für Warenbestandsmanagement und Beschaffung erfordern. In den letzten Jahren sind viele Warenverfügbarkeitsprobleme auf Seiten des GFGH und besonders bei der Industrie (siehe Glas und Verpackungen) aufgetreten. Sie wurden verursacht durch verschiedene Faktoren wie Leergutengpässe, fehlende Unterstützung der Beschaffer, Verfügbarkeitsprobleme bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (RHB) und geopolitische Ereignisse wie den Ukrainekrieg. Hinzu kommt die absehbare Mautsteigerung als mächtiger Kostentreiber.
Ein Gastbeitrag von C. Kloda
Ein effektives Warenbestandsmanagement und eine kostenführende Beschaffung sind für Unternehmen in der Getränkebranche von entscheidender Bedeutung, um den Kundenservice zu verbessern, Kosten zu senken und gleichzeitig den Umsatz zu steigern (Vermeidung „Lost Sales“). In der Ära der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung bieten Python-Programmierung, künstliche Intelligenz (KI) und Power BI Möglichkeiten, um präzisere Absatzprognosen zu erstellen, optimale Bestands- und Mindestmengen zu berechnen und dadurch Warenverfügbarkeit zu gewährleisten.
Durch die Nutzung von KI-affinen Programmiersprachen wie beispielsweise Python entwickeln wir zusammen mit unseren Kunden selbstlernende Algorithmen, um den Absatz von Getränken immer präziser vorherzusagen. Wir nutzen dafür Verkaufs- und Bestandsdaten aus der Vergangenheit und eine Vielzahl von Parametern wie saisonale Muster, Wetterdaten, Feiertage, Events, Wochentag, Hintergrundmarktdaten und andere relevante Faktoren, um die Nachfrage besser zu verstehen und die richtige Menge an Getränken zur richtigen Zeit zu bestellen oder zu produzieren. Dies führt zu einer Reduzierung von Überbeständen und Flächen, Vermeidung von Engpässen, reduziert die Kapitalbindung bei steigenden Zinsen und vermeidet Out of Stock Situationen.
KI lernt aus alten Daten und erkennt neue Muster
Der Einsatz von KI ist dabei unabdingbar und eröffnet neue Möglichkeiten, um komplexe Analysen und Vorhersagen durchzuführen. KI-Algorithmen werden in Python implementiert, um automatisierte Absatzprognosen zu generieren. Durch das maschinelle Lernen kann die KI kontinuierlich aus vergangenen Daten lernen und sich an sich ändernde Marktbedingungen anpassen. Sie lernt Saisonartikel wie zum Beispiel „Oktoberfestbier“ besonders zu betrachten und macht Vorschläge, welche Artikel als Saisonartikel klassifiziert werden sollten. Dies ermöglicht es Unternehmen, die Bestände kontinuierlich zu optimieren und die Kapitalbindung zu minimieren, ohne dabei die Kundenzufriedenheit zu beeinträchtigen.
Um die Ergebnisse der Analysen und Vorhersagen anschaulich zu präsentieren und leicht verständlich zu machen und in die operative Arbeit der Beschaffungslogistiker, Einkäufer und des Vertriebs zu integrieren, bietet Power BI eine leistungsstarke, günstige Lösung. Power BI wird mit dem ERP-System via Schnittstelle angebunden und erhält so alle wichtigen historischen Daten des Unternehmens, gleichzeitig werden direkte Schnittstellen zu Kalenderdaten für Feiertage und Wetterdaten erstellt. Danach wird die Python-Programmierung integriert und maschinelles Lernen hinzugefügt und die Prognostizierung und Berechnung beginnt. Power BI ermöglicht die einfache Visualisierung der Absatzprognosen und Bestandsdaten in Echtzeit an alle Betroffenen, meldet Mindermengen sofort an die Beschaffung und schlägt optimierte Bestellungen zum Beispiel mit 32 Vollpaletten vor, um die Beschaffungskosten pro Kiste niedrig zu halten.
Erstellung von Prognosealgorithmen ist keine Hexerei
Insgesamt ist ein effektives Warenbestandsmanagement und eine optimierte Beschaffung von Getränken für Getränkehändler von entscheidender Bedeutung, um auf das Marktumfeld und die Herausforderungen zu reagieren. Wir sehen, dass die Anforderungen an den GFGH seit Corona sehr stark von einer Strategie der Kostenminimierung in Richtung Service, Verfügbarkeit und Liefertreue tendiert – besonders im Streckengeschäft. Die notwendigen Daten sind längst in jedem ERP-System vorhanden, die Erstellung von Prognosealgorithmen keine Hexerei mehr und in anderen Branchen weit verbreitet. Sowohl GFGH als auch die Industrie haben dort gewaltiges Optimierungspotenzial für eine nachhaltigere und effizientere Zusammenarbeit über die gesamte Supply-Chain des Mehrwegzyklus‘ vor allem im Leergut.
Wissen der Mitarbeiter ist Basis des Modells
Ein noch von Vielen unterschätzter Vorteil von Digitalisierungsprojekten ist die Förderung und Anerkennung der eigenen Mitarbeiter. Sie werden integriert – ihr Wissen wird zur Basis des Modells, sie lernen wichtige Skills wie Power BI und haben Spaß an der täglichen Arbeit mit dem „eigenen System“. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen wir die fähigen Mitarbeiter mit allen technischen Hilfsmitteln unterstützen und fördern. Arbeit muss auch Spaß machen und motivierend sein.
Begriffserklärungen
Python
ist eine vielseitige und beliebte Programmiersprache, entwickelt vom niederländischen Softwareentwickler Guido van Rossum, 67. Mit ihrer einfachen Syntax und Lesbarkeit eignet sie sich sowohl für Anfänger als auch erfahrene Entwickler. Python ermöglicht die Erstellung von Webanwendungen, Datenanalysen, maschinellem Lernen, Automatisierungsaufgaben und mehr. Als interpretierte Sprache wird der Code zeilenweise ausgeführt. Python verfügt über eine umfangreiche Standardbibliothek und eine aktive Entwickler-Community mit vielen Paketen, die die Entwicklung vereinfachen.
Power BI
ist eine Bussiness-Intelligence-Plattform von Microsoft. Sie ermöglicht Benutzern das Sammeln, Analysieren, Visualisieren und Teilen von Daten aus verschiedenen Quellen. Mithilfe leistungsstarker Tools können interaktive Dashboards und Berichte erstellt werden, um Daten visuell darzustellen und Erkenntnisse zu gewinnen. Power BI unterstützt Datenmodellierung, Data Mining, Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Berichte können online in Echtzeit aktualisiert und geteilt werden, wodurch Benutzer aus verschiedenen Abteilungen zusammenarbeiten und aktuelle Daten gemeinsam nutzen können. Die Plattform ist in Desktop- und Cloud-Versionen verfügbar und bietet mobile Apps für den Zugriff auf Berichte und Dashboards auf mobilen Geräten.
Artikel aus INSIDE 931