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#925

Volumenschmelze: Das große Absatzloch

Schwarz feuert gegen Mehrweg

Der Ex-Journalist und Fernsehmoderator G. Jauch trommelt für Lidls Einweg auf allen Kanälen: Online, Print, TV, Radio – dem Aufklärungseifer des früheren Regenwald-Retters (Krombacher) entgeht keiner.

Gerät der fromme Glaube der Verbraucher an die Vorteilhaftigkeit von Mehrweg jetzt ins Wanken? Europas größter Einzelhändler macht mit Millionen-Etat Stimmung gegen Pläne der EU und schießt frontal gegen Mehrweg wie noch nie.

Mit massivem Kommunikationsdruck im Mehrwegland Deutschland penetriert die über 130 Mrd Euro Umsatz große Schwarz-Gruppe die ökologischen Vorteile ihres Einwegrücknahmesystems bei Lidl und Kaufland. Begleitet von einer erstaunlich kritiklos aufgenommenen Interview-Kampagne in Wirtschaftsmagazinen und Tageszeitungen wird mantrahaft wiederholt: Niemand kriegt den Loop von Flasche zu Rezyklat so gut hin wie der vertikalisierte Handelsgigant. Keiner füllt Getränke so effizient wie Schwarz.

Um die Message den Verbrauchern einzumeißeln, hat sich die Schwarz-Gruppe den Moderator Günther Jauch gekauft, der begeistert über Lidls geschlossenen PET-Flaschenloop inklusive eigener Recycling- und Abfüllbetriebe schwärmt. Schwarz setzt bei der AfG-Tochter MEG ausschließlich auf Einweg (und die Gewinnung von PETRezyklat über die Rücknahme bei Lidl und Kaufland).

Betretenes Schweigen

Die Mehrwegwelt reagiert verschüchtert. Es fehlen Gegenargumente. Brunnen-INSIDER ahnen: Bei einem durch Individualflaschen erhöhten Sortieraufwand sowie gestörtem Leergut-Rückfluss, stößt Mehrweg bei einem Vertriebsradius über 100 km an ökologisch vorteilhafte Grenzen. Die Mehrweglobby blockiert wohl auch deshalb die Erstellung einer gültigen neuen Ökobilanz. Und in diese weiche Flanke sticht die Lidl-Kampagne. So hat Schwarz beim Ifeu-Institut eine Studie in Auftrag gegeben, die zu den erwünschten Ergebnissen kam: Die Flaschen der hauseigenen MEG würden 20 bis 45% weniger CO2 verursachen als GdB-Mehrweg. Immerhin die Deutsche Umwelthilfe hat Haare in der Suppe gefunden: Die Kampagne verschweige, dass die 0,5-l-Flasche von Lidl ökobilanziell schlechter als Mehrweg abgeschnitten habe. Ifeus GdB-Zahlen basierten auf „Durchschnittswerten“, in denen der kleine Regionalbrunnen genauso enthalten sei wie Distributionsschleudern a lá Gerolsteiner.

R. Annega: Das verlorene Rezyklat

Apropos Gerolsteiner: Deren Boss, der neue VDM-Vorstand Roel Annega, sieht die Felle für die Mineralbrunnen auch bei Einweg davonschwimmen. Verbraucher und Politik wollen mehr PET-Rezyklat in den Flaschen. Doch das ist für (unabhängige) AfG-Hersteller knapp und teuer. Grund ist ein Webfehler des vor 20 Jahren entwickelten DPG-Systems. Die gegen Pfand zurückgenommenen Einwegverpackungen gehören den Händlern. Und die verkloppen den Müll meistbietend. PET-Rezyklat ist ein gefragter Rohstoff, Hersteller aller Kategorien von Turnschuhen bis Autoreifen schmücken sich weltweit mit R-PET-Anteilen. Nicht einmal 45% ihrer zurückgegebenen Einweg-PET-Flaschen stehen als Rezyklat der deutschen Getränkeindustrie zur Verfügung. Annega fordert „Erstzugriff auf unser R-PET“ und fleht nach dem Gesetzgeber.

Da kann die Schwarz-Tochter MEG nur müde grinsen. Der laut INSIDE-Mineralbrunnen-Hitliste 4,1 Mrd Liter (41 Mio hl) große AfG-Riese bekommt genügend R-PET von der eigenen Familie, aus dem Rücklauf der Automaten in den 3.200 deutschen Lidl- und 750 Kaufland-Filialen.

Lobbyismus mit der Mediakanone

Dennoch hat der Gigant Angst vor einer Mehrwegpflicht, wie sie im Entwurf für eine EU-weite Verpackungsverordnung steht. Dort schlägt die EU-Kommission für 2030 eine verbindliche Quote im Einzelhandel von 10% vor, die bis 2040 auf 25% steigen soll. Eine Einführung von Mehrweg in den Lidl-Outlets würde Schwarz viele hundert Millionen Euro kosten. Platz für Leergut, Logistik, Handling und auch die MEG müsste umgerüstet werden. Das wäre doppelt ärgerlich. Mit Wasser verdient Schwarz wieder Geld. Im letzten Jahr wurde der VK für Saskia von den ewig gültigen 19 Cent auf 25 Cent/1,5 l und vor wenigen Wochen unbemerkt im Schulterschluss mit Aldi sogar auf 27 Cent angehoben. Die von Mediaexperten geschätzt 30 Mio Euro für die Jauch-Kampagne sind da aus Lidl- Sicht gut angelegt.

Artikel aus INSIDE 925