Noch kein INSIDER?

JETZT ZUGANG SICHERN!

Wählen Sie Ihre Anmeldeoption.

Schnell und unkompliziert INSIDER werden!

Weiter

Print-Ausgabe

#932

13 Jahre Craft: Was hängen bleibt

Radeberger zieht Braufactum den Stecker

Hobby-Unternehmer: Dr. Marc Rauschmann

Mit dem Schlussstrich unter ihre Edelbierschiene „Braufactum“ beerdigt die Radeberger Gruppe ein Prestigeprojekt ihres früheren CEO Dr. Albert Christmann – nach Bionade die nächste Beisetzung vor laufenden Kameras. Und ein untrügliches Zeichen dafür, dass bei Craftbier generell die Luft raus ist. Innovationen finden nicht mehr statt, die verbliebenen Player sind etabliert, den Rest hat der Markt aufgesogen.

Im Oktober 2010 erfasste INSIDE (Nr. 613) das Geheimprojekt „Braufactum“ im Windschatten von Radebergs Abteilung Neue Getränke. Sitz der Internationale Brau-Manufacturen GmbH war die Aschaffenburger Str. 19 auf der Rückseite des Binding-Geländes, zwischen einem Bordell namens Salon Mira und dem Parkhaus für Brauerei-Mitarbeiter. Als Vertriebsleiter wurde Jochen Rosinus installiert, den Christmanns Buddy und damaliger Vertriebs-Gf Thomas Freese aus alten Tchibo-Zeiten kannte.

Unter dem Braufactum-Label wurden in der Anfangsphase 28 Spezialbiere von internationalen Micro Breweries (Rodenbach, Palm und Boon aus Belgien, Brooklyn Breweries aus New York, Firestone aus Los Angeles, Birrificio Italiano und Baladin aus Italien, Harvistounes und Marston’s aus England) zu Flaschenpreisen zwischen 3,49 Euro und 14,99 Euro angeboten. Eine ehrgeizige Vision, bald flankiert vom Radeberger-Techniker Dr. Marc Rauschmann und seinem Kollegen Thorsten Schreiber.

Obwohl Rauschmann und die Vertriebseinheiten des Biermarktführers für das Herzensprojekt trommelten, erfüllten sich die Hoffnungen nie. Mehrfach wurde nachjustiert. Die Palette wurde auf die drei gängigsten Sorten eingedampft. Zu den Höchstpreis-Flaschen gesellten sich 0,33er zu Preisen unterhalb von 2 Euro. Und auch die Produktion wurde optimiert. Zuletzt kamen die Braufactum-Biere aus dem Allgäuer Brauhaus. Von den 10.000 hl, die INSIDE 2017 attestierte (Ausgabe 787), sind aktuell noch geschätzt die Hälfte übrig. Zu wenig für den Konzern.

Letzte Woche beendete Radeberger das Projekt unverblümt: Der Craftbier-Markt habe sich „volumenseitig nicht so kraftvoll entwickelt, wie wir – wie wohl auch nahezu alle anderen Marktbegleiter in diesem Segment – es uns erhofft hatten“.

Braufactum, angetreten um die deutsche Bierlandschaft zu revolutionieren, trudelt als Nebenerwerbsbeschäftigung in Berlin aus.

Der Konzern zeigt sich gnädig: Rauschmann, Schreiber und Rosinus übernehmen ab 2024 privat mit einer eigenen Braufactum GmbH, bleiben aber als Leiter QM, Frachtmanager und Commercial Manager Export bei Radeberger beschäftigt. Craftbier betreiben die drei dann nur noch als Nebenjob und mit Radeberger-Lizenz. BRLO in Berlin braut ein, der Vertrieb (Fassbier) läuft über Preuss-Münchhagen. U.a. in die zwei Braufactum-Objekte am Hausvogtei- und am Alexanderplatz (siehe Titel).

Die Frage ist nur: Wie sollen drei Craftbier-Fanatiker in ihrer Freizeit schaffen, was schon hauptberuflich nicht geklappt hat?

Artikel aus INSIDE 932