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#921

Zäsur: Politik schränkt Werbung ein

Memmingen: Der Weg durch Blendgranaten

Die Frage, wie lange die ramponierte Memminger Brauerei noch durchhalten würde, stellen sich INSIDER zwar schon lange. Die letzte veröffentliche Bilanz der Memminger Brauerei datiert aus dem Jahr 2020; seinerzeit gab es einen Jahresüberschuss von 347.612 Euro bei einem Verlustvortrag von 4.318.028 Euro. Die Gesellschaft, hieß es, befinde sich „in einer angespannten Liquiditätssituation, sodass eine wesentliche Unsicherheit gegeben ist, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwirft“.

Erstaunlich eigentlich, dass sich 2021 doch noch ein Pirat fand, der bereit war, das Schiff zu entern – und dem jetzt offenbar schwant, auf was er sich da eingelassen hat: Nach seinem Einstieg, so die offizielle (!) Mitteilung der Geschäftsführung, habe der Niederbayer Franz Luitpold Egerer festgestellt, „dass die Anlagentechnik deutlich unter dem Stand der Technik liegt und notwendige Reinvestitionen in den Jahren vor Egerers Einstieg nicht gemacht wurden“. Womöglich ließe sich so etwas auch im Vorfeld feststellen – Franz Egerer, umtriebiger Bräu aus Großköllnbach, und sein Best Buddy Jörn Hund (mittlerweile Co-Gf in Memmingen Neben Kesselschläger-Junior Wolfgang) taten es offenbar nicht.

Fühlen sie sich jetzt aufs Kreuz gelegt? Von Seiten der neuen Gesellschafter wird immer wieder eine Mehrheit von 51 bis 52% behauptet (nachvollziehbar ist das anhand der Handelsregisterauszüge nur bedingt). Kesselschläger junior soll demnach 12 bis 13% der Anteile halten, der Rest liegt bei Jochen Kesselschläger. Allerdings soll ausgemacht sein, dass Egerer auch die Anteile von Kesselschläger sen. übernimmt. Zu welchem Preis? Wird die Rechnung jetzt neu aufgemacht? Darauf deutet zumindest einiges hin; man erhoffe sich durch das Insolvenzverfahren eine „Klärung der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten“, heißt es. Wolfgang Kesselschläger, der Junior, ist damit offenbar nicht angesprochen. Er ist ja selbst Teil der Geschäftsführung, die sich so harsch über die Alteigentümer ausließ – ein bemerkenswerter Akt von Familienbande.

Während Kesselschläger die nach der Übernahme der Ulmer Münster Brauerei (INSIDE 362) im Jahr 2000 erworbene Traditionsmarke gegen null eindampfte (sie soll jetzt wieder aufgebaut werden), braute Memmingen für Andere, was das Zeug hielt: Schlossberg und Gilbert‘s für Finkbeiner, Hirschbier und Brau Masters für BMG, Felsgold für Metro, Burgkrone für Norma, Willian Bräu für Italien, dazu eine Unzahl anderer Marken wie Bayerisch Zunftherrn, Alpkönig, Bergbräu u.s.w. – und zuletzt auch gut 30.000 hl für Egerer, der seine eigene Brauerei 2022 zusperrte. In Niederbayern füllt Egerer aus mehreren Quellen geschätzt 500.000 hl AfG ab – von Heinrich Franz, Isartaler und St. Matthias-Quelle (für Trinks) bis zur Flughafen München-Marke Aqua Bavaria. Und dann gibt es dort ja noch das seinerzeit von Ball Packaging stolz präsentierte Dosenkompetenzzentrum für den Mittelstand.

Mit dem Fall Memminger darf sich jetzt neben Sachwalter Henrik Brandenburg auch Tobias Sorg (dmp solutions) beschäftigen, ein alter Bekannter der Branche: Sorg war auch schon in das Insolvenzverfahren Kaiser Brauerei Geislingen und die Endlos-Causa Überkinger involviert.

Artikel aus INSIDE 921