Krise überall? Ganz so einfach ist es nicht, wie eine Auswertung des Ifo-Instituts jetzt zeigt. Denn offenbar haben einige Wirtschaftsbereiche die "allgemeinen Preissteigerungstendenzen" dazu genutzt, ihre eigenen Gewinne sogar noch auszuweiten. Vorn dabei: Gastgewerbe und Handel. Die höheren Beschaffungspreise für importierte Waren sind laut Ifo-Institut nicht der alleinige Grund für die massiv gestiegene Inflation (November 2022: 10,0%).
Die Unterschiede zwischen den Branchen sind groß: Während im Bereich Bergbau, Energie und Wasserversorgung die Kosten (Wertschöpfungspreise -2,6%) nicht (vollständig) an die Kunden weitergegeben wurden, liegen Handel und Gastronomie laut Ifo beim Deflator der Bruttowertschöpfung bei Werten von +12%, die Landwirtschaft sogar bei +46%. Der Deflator zeigt an, in welchem Umfang die Unternehmen zusätzlich zum kurzfristig unvermeidbaren Kostenanstieg auf der Beschaffungsseite ihre Preise erhöht haben.
Beim Handel, so Ifo, scheide eine Orientierung an Weltmarktpreisen aus. Auch durch die um rund 5% gestiegenen Löhne für Arbeitnehmer seien die stark gestiegenen Verkaufspreise kaum zu erklären - "offenbar viele Unternehmen" hätten, so Ifo, "die Gunst der Stunde genutzt haben, über die Verteuerung der Vorleistungsbezüge hinaus ihre Preise anzuheben". Begünstigt wurde dieses Vorgehen womöglich auch dadurch, dass "nach den Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie bei den privaten Haushalten hohe Ersparnisse aufgelaufen waren, die im Jahr 2022 aufgelöst wurden und die Konsumnachfrage zusätzlich befeuerten."
Das Ifo-Institut konstatiert: Der Bereich Handel und Gastgewerbe gehört zu denen, in denen der Anstieg der Löhne hinter dem Anstieg der Wertschöpfungspreise zurück blieb. Heißt: In diesen Branchen sind die Betriebsüberschüsse gestiegen. Aktuell, heißt es, "liegt der Anteil der Bruttobetriebsüberschüsse an der Wertschöpfung in der Landwirtschaft, im Baugewerbe und im Bereich Handel/ Gastgewerbe/Verkehr dabei deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Somit hat Deutschland derzeit nicht nur eine Kosteninflation, sondern ganz offensichtlich auch eine Gewinninflation. In den übrigen Wirtschaftsbereichen ist ein solcher Effekt hingegen nicht festzustellen."
Gastro-Umsatz über Niveau 2019
In der Gastronomie war der Umsatz laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes im September 2022 zwar real um 1,7 % niedriger als im Vormonat. Im Vergleich zum September 2021 stieg er aber um 13,0 %. Der Umsatz im gesamten Gastgewerbe ist im September 2022 gegenüber August 2022 kalender- und saisonbereinigt real (preisbereinigt) um 0,9 % gesunken und nominal (nicht preisbereinigt) um 0,2 % gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, lag der Umsatz real 14,4 % und nominal 25,5 % höher als im Vorjahresmonat September 2021.
Die starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie, so die Behörde, hätten sich auch im September auf die Preise im Gastgewerbe ausgewirkt. Die hohe Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegele sich auch im Vergleich zum Vorkrisenniveau wider: Gegenüber September 2019 lag der Gastgewerbeumsatz im September 2022 real 7,6 % niedriger, nominal aber 7,6 % höher.