Ungeachtet des derzeitigen Bashings deutscher Brauer, die nach Russland exportieren (Titelgeschichte LZ, Meldung dpa) verschärft die russische Regierung nun ihrerseits die Handelsrestriktionen
Wie INSIDE aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat, wurde die Biersteuer in Russland zum gestrigen Donnerstag (25. April 2024) für Bier aus „unfreundlichen Staaten“ (gemeint sind damit vor allem die EU und die USA) von 0,017 Euro/Liter auf 0,10 Euro/Liter erhöht. Die Einfuhr eines Lkws mit Bier verteuert sich so um rund 1.650 Euro.
Damit folgten die Russen zwar nicht einem durchgeknallten Vorschlag von Alexej Didenko, Vorsitzender des Ausschusses für Regionalpolitik und kommunale Selbstverwaltung des Staatsduma; er hatte zu Beginn des Jahres beantragt, für Bier aus jenen „unfreundlichen Ländern“ einen gänzlichen Importstopp zu erlassen (INSIDE 942). Dafür zündeten sie Stufe 2 des Feuerwerks an Restriktionen. Stufe 1 war die endgültige Einführung des Chestny Znak-Systems Mitte Januar, das Importeuren harte (und teure) Deklarationspflichten auferlegt (INSIDE 942) und Grauimporte verhindern soll.
Wie erwartet zogen sich viele kleinere Brauer zurück. Die Bierexporte nach Russland brachen im Januar auf fast die Hälfte des Vorjahreswerts ein und lagen nur noch bei 96.000 hl. Im Februar waren es 122.000 hl. In beiden Fällen rutschten die Absätze unter den Wert von 2020. Dabei war die Abwärtsentwicklung schon in der zweiten Jahreshälfte 2023 statistisch erkennbar. Ab August lagen sie bisweilen massiv unter Vorjahr, nur im Dezember gab es ein letztes Plus (Bunkereffekte wegen der Chestny-Znak-Deklarationspflicht im Januar). Insgesamt blieb der Absatz nach Russland mit rund 1,6 Mio hl in 2023 stabil. An erster Stelle der Exportmärkte rangierte im Vorjahr weiterhin Italien (3,45 Mio hl), an dritter China (1,22 Mio hl) nach deutlichen Verlusten in den Jahren zuvor.
Anders in Baden-Württemberg: Hier stand 2023 Russland mit 340.000 hl an der Spitze der Export-Statistik (wohl so gut wie komplett auf dem Ausfuhrzettel bei Eichbaum), gefolgt von Italien (210.000 h) und Frankreich (200.000). China folgt erst auf Platz 4 (165.000 hl). Die plakativ aufgeblasenen Zahlen wurden pikanterweise von den Landes-Statistikern zum Tag des Bieres veröffentlicht. Ein ziemlicher Bärendienst für den Gewerbesteuerzahler Eichbaum.
Scheint fast so, als ob es keinen Spaß mehr macht, nach Russland zu exportieren. Die zuletzt wieder mal medial zu einer Entrüstungsstory aufgeblasene Exportbilanz der großen deutschen Russland-Exporteure TCB, Oettinger und Eichbaum basiert auf einer pseudo-moralischen, nicht auf einer rechtlichen Argumentation. Vielmehr scheinen es die Russen derzeit darauf anzulegen, Importe überflüssig zu machen. Im Juli 2023 hatte Präsident Putin nach dem Rückzug des Getränkegiganten Carlsberg dessen Beteiligung Baltika per Dekret verstaatlicht. Damit wurde auch der wenige Monate zuvor verkündete Verkauf der Gruppe an einen russischen Investor obsolet.
Andere Braugruppen, die ebenfalls die Furcht antrieb, als Unterstützer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gebrandmarkt zu werden, fuhren lieber einen wachsweichen Kurs – z.B. AB InBev mit einem Joint Venture mit der türkischen Braugruppe Efes (die die Aktivitäten entgegen allen Versprechen aus Februar/März 2022 in Russland nur zögerlich einschränkte). Erst Anfang 2024 übernahm Anadolu Efes den Anteil von AB InBev am russischen Joint Venture im Wert von 1,3 Mrd US-Dollar. Ebenso wenig Heineken. Statt das Geschäft zu verkleinern, hatte Heineken 2022 noch 243 neue Mitarbeiter eingestellt. Erst im Herbst 2023 reagierte der Konzern auf immer stärkeren internationalen Druck und verkaufte seine Aktivitäten in Russland – drunter sieben Brauereien – zum Preis von einem Euro an die russische Arnest Group.
Die Russen können‘s also mittlerweile selber.
Artikel aus Heft 949