Knall in Brüssel: Auf den letzten Drücker schmuggelte ausgerechnet die grüne Umweltministerin Steffi Lemke ihren Ministerkollegen aus den EU-Ländern einen delikaten Braten ins Weihnachtspaket – und bei der Kaufland/Lidl/Schwarz-Gruppe dürften die Korken knallen.
Montag dieser Woche stimmte auch der Ministerrat der EU über die künftige Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) ab – mit einigen deutlichen Abweichungen zum Beschluss des EU-Parlaments vor wenigen Wochen (INSIDE 940). Aus Sicht der deutschen Getränkebranche fallen dabei vor allem drei Grundaussagen ins Gewicht:
- Mehrwegquote: Das EU-Parlament hatte noch sinngemäß beschlossen: Wenn ein EU-Mitgliedsland im jeweiligen Gesamtmarkt mindestens 85% aller Einweg-PET-Flaschen und Getränkedosen recycelt, wird es dort keine Mehrwegquote geben. Der Ministerrat sagt jetzt: Eine Mehrwegquote kommt auf jeden Fall. Und zwar im Fall verpackter Getränke in Höhe von mindestens 10% bis 2030 und von mindestens 40% bis 2040 (diese Quoten könnten demnach bei einer nationalen Gesetzgebung noch darüber liegen). „Mehrweg“ schließt in diesem Fall allerdings auch vom Kunden mitgebrachte Behälter (die dann aufgefüllt werden) mit ein. So etwas widerspricht komplett deutschen Verbraucherschutz-Vorschriften. Außerdem: Ist Fass-/Tank-Bier dann auch Mehrweg?
- Lex Lidl: Auf Druck des Kanzleramts setzte BUM Steffi Lemke eine neue Formulierung durch, wonach die Mehrwegquote auch in „Pools“ (in diesem Fall: Zusammenschlüsse) von bis zu drei Herstellern oder bis zu drei Handelsunternehmen erreicht werden kann. INSIDER sehen darin eine glasklare „Lex Lidl“. In Zusammenschluss mit Kaufland könnte der Discounter damit die eigene Mehrwegpflicht umgehen – Aldi aber zum Beispiel nicht.
- Einweg-Pfandsysteme: Mitgliedsstaaten müssen bei Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen bis 2029 eine Rücknahme von mindestens 90% sicherstellen – und dafür Pfandrückgabesysteme einführen. Auf Wunsch Frankreichs gibt es aber eine Extrawurst: Mitgliedsstaaten, deren Quote im Jahr 2026 über 78 % liegt, müssen das Pfandsystem erstmal nicht einführen. Klingt wenig logisch, ist es auch nicht.
Parlament und Ministerrat liegen damit weit auseinander. Die Sache geht jetzt in den sogenannten Trilog, bis Ende April entscheiden beide Seiten plus EU-Kommission. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass es am Ende eine Mehrwegquote unabhängig von Recyclingquoten geben wird. Ob die „Lex Lidl“ dann tatsächlich aus politischem Kalkül beschlossen wird, steht noch in den Sternen. Für die mächtige Schwarz-Gruppe hat das Kanzleramt jedenfalls schon mal einen Pflock eingerammt.
Artikel aus INSIDE 941