Nach dem Abgang des ehemaligen Roland Berger-Mannes Christian Gieselmann passierte in Warstein erstmal nichts. Doch seit Februar sind nach und nach hemdsärmelige Branchenkenner in der Brauerei eingezogen. Plötzlich rührt sich doch was in Warstein.
Die Zöpfe der alten Berater-Truppe sind längst abgeschnitten, Schlüsselpositionen mit Machern aus der Branche besetzt. Eine gewisse Aufbruchstimmung ist zu vernehmen. Dass die Marke Warsteiner vor allem im Handel ein Problem hat (zum Halbjahr -9%; in der Gastro gab es +203%), kann trotzdem nicht wegdiskutiert werden. Marco Schulze, der aus Kreuztal nach Warstein gewechselt ist und als Handelschef zum 1.8. seinen neuen Job angetreten hat, ist nicht zu beneiden. Doch Schulze hat etwas elementares im Gepäck: 20 Jahre Erfahrung beim Marktführer. Dort hatte er zuletzt die Feldorganisation angeführt. Bei Warsteiner muss er dem Außendienst nun mit seinem Know-how die richtigen Impulse geben.
Eine Ebene höher ist dies bereits passiert. Vertriebs- und Marketingchef Uwe Albershardt hat das Gesamtkonstrukt Warsteiner im Blick und liefert nach einer gewissen Einarbeitungszeit erste sichtbare Ergebnisse. Mit der kürzlich gegründeten Logistik-Tochter Boxx Intermodal Logistics greift er auf die längst bestehende und unter deutschen Brauereien einzigartige Infrastruktur zurück, um den 2005 noch unter Albert Cramer gebauten Gleisanschluss effizienter und professioneller zu nutzen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die neue, ab 15.8. geltende Gastro-Vertriebskooperation mit BrewDog (INSIDE- Hot Shot vom 4.8.) hängt eng mit der Schiene zusammen. Über diese werden ab 1.9. leere Warsteiner-Poolfässer (30l) aus dem Sauerland nach Berlin gefahren, in der 22.000 hl (Kapazität für 45.000 hl) großen BrewDog- Brauerei im Marienpark mit den Sorten Hazy Jane, Punk IPA oder Kiez Keule befüllt und anschließend über die Gleise zurück an die Warsteiner-Rampe transportiert, wo die 60-köpfige Gastro-Truppe von André Hilmer den Vertrieb in die Warsteiner-Objekte hinein übernimmt. Brew- Dogs Headliner Range (Punk IPA, Hazy Jane, Pale Ale, Elvis Juice und Kiez Keule) ist als lose Flaschenware in der Gastro-Kiste ebenfalls im Vertriebspaket enthalten. Das Kalkül hinter der Koop: Die hippe Marke BrewDog im Verbund mit den neuen Portfolio-Marken Oberbräu Hell sowie dem spanischen Estrella Galicia soll dabei helfen, das angestaubte Pils-Image von Warsteiner abzustreifen und in ausgewählten Gastro-Objekten (v.a. in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Hannover, München) eine andere, jüngere Zielgruppe anzusprechen. Mit einem professionelleren Portfolio, so die Überlegung, kann in der Gastronomie eine höhere Wertschöpfung erzielt werden, da Pils am Hahn immer weniger wird, die Kosten aber nicht geringer.
Die Idee zur Zusammenarbeit entstand schon vor geraumer Zeit zwischen André Hilmer und BrewDog Deutschland- CEO Adrian Klie. Beide kennen sich seit vielen Jahren aus einer gemeinsamen Vergangenheit bei Gilde. Aus vergangenen AB Inbev-Zeiten kennt Klie auch Adriano Leo, der von seinem alten Beck‘s-Buddy Albershardt nach Warstein gelotst wurde und seit Mai die neu geschaffene Position des Business Development Directors besetzt. In dieser Aufgabe lotet Leo Potenziale hinsichtlich Lohnbrauaktivitäten für Warsteiner aus. Auch er soll im Hintergrund in den BrewDog-Deal involviert gewesen sein. Das Geschäftsfeld AfG, in dem Warsteiner bisher gar nicht unterwegs ist, soll mittlerweile ebenfalls auf der Agenda stehen. Gut möglich, dass sich die Brauerei in Zukunft auch abseits von Bier ein Portfolio aufbaut.