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"Unsere Leute, unser Kapital"

Duisburg-Walsum, ein frischer Frühlingstag. In Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet Rheinaue erstreckt sich das 33 Fußballfelder große Firmengelände der Rheinfels Quellen H. Hövelmann GmbH & Co. KG. Ein paar Störche ziehen ihre Bahnen. Vor dem 43 Meter hohen Hochregallager (Kosten 40 Mio Euro) trifft man Gf und Mitgesellschafter Heino Hövelmann, Sohn Lars Hövelmann, Gf Edmund Skopyrla und Marketingleiterin Ina Neleßen. Dann geht´s mit dem Aufzug hinauf – Zeit, übers Geschäftliche zu reden.

Die deutsche Brauwirtschaft hat 2023 rund 4 Mio Hektoliter verloren. Die Mineralbrunnen haben davon nicht profitiert und bei Mineralwasser, Heilwasser und Mineralbrunnen-Erfrischungsgetränken 3,4 Prozent eingebüßt. Selbst bei den CO2- Kartuschen gab es kein Plus mehr. Wo sind die Verbraucher geblieben?
Heino Hövelmann:
Es ist wirklich erstaunlich, und ganz verstehe ich es auch nicht. Bei Erfrischungsgetränken ist die Branche noch halbwegs stabil. Insgesamt sehen wir im Verband Deutscher Mineralbrunnen allerdings doch eine Abwanderung zum Leitungswasser. Da brauchen Sie schon starke Marken und ein starkes Team, um dagegenzuhalten.

Sinalco gibt es jetzt auch in der 0,33-er Longneck-Poolflasche. Bei ca. 240 Artikeln, unzähligen Gebinden, Farben, Geschmäckern, mit und ohne Sprudel, und bei dem gewaltigen Markenportfolio, das Sie ja schon im Gepäck haben, stellt sich mir die Frage: Warum noch ein neues Gebinde? Gefällt Ihnen das alte nicht mehr?
Ina Neleßen:
So schön die bisherige Flasche auch ist, so unterscheiden sich die Produkte darin nur in der Farbe, in den Halsschleifen und in den verschiedenfarbigen Kronkorken. Das ist für den Außerhausmarkt, die Kantinen und auch für den Getränkefachhandel auf Dauer zu wenig ...
 Heino Hövelmann:
 ... weswegen wir eine stärkere Sortendifferenzierung für den Verbraucher auf den ersten Blick hinbekommen wollten. Die größere Etikettenfläche präsentiert das neue Sinalco–Design sehr plakativ. In der Gastronomie setzen wir für unser Standard–Sortiment weiterhin auf die weltweit geschützte Flaschenform mit dem Sinalco– Einbrand-Logo.

Wie weit redet Ihnen der Handel in solche Entscheidungen mit rein?
Heino Hövelmann:
Der Handel hat eine immens wichtige Gatekeeper-Funktion, weil ganz entscheidend ist, wo ich was einkaufe. Gehe ich zum Späti oder in die Tankstelle oder in den Getränkemarkt? Oder eben zum Discounter mit seinen Aktionspreisen? Wir haben immer mehr Single-Haushalte und aufgrund der Sortimentsvielfalt im Markt immer weniger Regalplatz zur Verfügung. Bei einem Impulskauf nimmt der Kunde dann eben mal eine Flasche mit und nicht gleich einen ganzen Kasten.
Edmund Skopyrla:
Es sei denn, Sie machen eine Party.
Heino Hövelmann:
Der Handelskunde ist das Nadelöhr. Die Regalfläche ist begrenzt, das Sortiment entsprechend auch. Produkte nach Marktforschung gestalten ist das eine. Die Kunst ist es aber, das auch in die Distribution zu bringen. Da agieren wir doch sehr eng mit den Handelspartnern zusammen, die dann auch wieder eigene Marktforschung betreiben bzw. aussagekräftige Kassendaten vorliegen haben. Die wissen am besten, wo welche Kunden was genau aus welchem Segment abfragen.
Edmund Skopyrla:
Es geht immer um die Kernfrage: Kriegen wir eine Platzierung im Markt?

Woher bekommen Sie schon während der Entwicklung Feedback?
Ina Neleßen:
Unser wichtigstes Kapital ist die Belegschaft. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Wir haben eine Mitarbeiter-App im Einsatz. Wenn wir dann neue Geschmacksrichtungen bei den Verkostungen in unserem Haus testen, können alle unsere Mitarbeitenden in der App abstimmen, wie sie das finden. Wir bekommen damit direkt Rückmeldung.
Lars Hövelmann:
Also nicht nur bei den unterschiedlichen Geschmacksmustern, sondern auch bei den Design-Dummies. Auch darüber stimmen wir alle ab.
Edmund Skopyrla:
Und es gibt einen breiten Findungsprozess. Das geht bei uns vom Staplerfahrer über die Kollegen in der Werkstatt bis zum Verwaltungsmitarbeiter. Und natürlich auch über den Vertrieb. Die bekommen vom Handelspartner als Erste ungefiltert Rückmeldung.

Also im Sinne von „Seid Ihr jetzt völlig verrückt ...“?
Edmund Skopyrla:
Das war jetzt noch nett ausgedrückt.

Gibt es dann noch Platz für neue Marken? Für Monomarken wie die Sinconade?
Lars Hövelmann:
Ich sehe bei den meisten Leuten in meinem Alter, dass sie unterwegs Einweg dabei haben. Zum Beispiel im Fitness-Studio. Deshalb habe ich auch die Marke Sinconade wieder aufleben lassen und ihr ein eigenständiges Produktkonzept „verpasst“ ...

... eine alte Marke, jetzt in Einweg-PET und ohne Sprudel, die gar nicht mehr unter Sinalco- oder Rheinfels-Label läuft.
Lars Hövelmann:
Sportgetränke sind ein interessantes Wachstumssegment. Bei uns im Haus haben wir gesagt, wir entkoppeln das von der Marke Sinalco und machen eine neue Mono–Marke draus. Es ist ja nicht sinnvoll, eine Marke unendlich zu strecken und dabei den Markenkern zu vergessen. Und der lautet bei Sinalco immer noch: ein prickelndes, erfrischendes Geschmackserlebnis. Sinconade ist hingegen nicht karbonisiert und hat eine ganz andere Zielgruppe.

Gibt es überhaupt noch klassische Zielgruppen?
Ina Neleßen:
Für das Markenportfolio der Getränkegruppe Hövelmann gilt, dass wir aus der Historie heraus eine sehr breite Zielgruppe haben. Viele Sinalco-Kunden sind älter als gedacht, weil sie da nostalgische Erinnerungen an ihre Kindheit haben. Von dieser breiten Definition der Zielgruppe haben wir uns in den vergangenen Jahren etwas entfernt und gehen in eine kommunikative Kernzielgruppe von 20 bis 29 Jahren. Darüber hinaus segmentieren wir aber nicht mehr groß weiter, sondern versuchen eher, das Verbindende zu finden. Eine weltoffene Haltung, die Offenheit Neuem gegenüber.

Warum segmentieren Sie dann noch nach Alter?
Ina Neleßen:
Weil wir wissen, dass der Softdrink–Konsum mit steigendem Alter abnimmt und wir daher insbesondere die jüngeren Intensiv-Verwender mit unserer Markenaussage ansprechen wollen.
Heino Hövelmann:
Beispielsweise ist bei den Jüngeren der Anteil von Getränken ohne Zucker viel höher als im Gesamtmarkt.

Woher kommt generell der Stimmungswandel beim Verbraucher in puncto Einweg?
Edmund Skopyrla:
Der Greta-Effekt ist verblasst und die Corona-Zeit ist  vorbei. Seinerzeit hat man sich auch aus Nachhaltigkeitsgründen mal ein gutes Mineralwasser aus der Glasflasche gegönnt. Allein auf der Couch feiert man aber keine Party, entsprechend ging der Absatz von Süßgetränken sofort runter. Mit dem Krieg, den Energiepreisen und der Inflation beginnt das Sparen. Und damit kommt der Discounter ins Spiel.

Sie tragen hier als Unternehmer Verantwortung für 630 Angestellte und haben für 2024 eine neue Glas-Mehrweganlage und eine neue PET-Einweg–Anlage bestellt. Plötzlich wollen alle wieder Einweg. Wie geht es Ihnen damit?
Heino Hövelmann:
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen wir überlegt haben, die Glasanlage ganz rauszuwerfen. Zum Glück haben wir es nicht gemacht.
Edmund Skopyrla:
Wir sind mittlerweile so aufgestellt, dass wir das dritteln können: ein Drittel Einweg, ein Drittel PET–Mehrweg, ein Drittel Glas. Mit dieser Flexibilität können wir solche Schwankungen gut ausgleichen.
Heino Hövelmann:
Man muss ehrlich sagen: Hätten wir früher die Entscheidung getroffen, uns auf ein Gebinde zu konzentrieren, wären wir wahrscheinlich nicht mehr im Markt.

1905 beginnt die Geschichte der heutigen Rheinfels Quellen H. Hövelmann GmbH & Co. KG mit dem Walsumer Kaufmann Karl-Albert Hövelmann – und einer Bierhandlung. Heute füllt das Unternehmen an den drei Standorten Duisburg-Walsum, Dortmund und Fachingen rund 700 Mio Liter Mineralwasser und Erfrischungstränke ab, etwa die Hälfte davon A-Marke (u.a. Sinalco, Aquintéll, Staatl. Fachingen, Römerwall, Rheinfels Urquell und Rheinperle). Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 650 Beschäftigte und hat 240 Artikel im Markt. 2017 fand das Richtfest für das neue Hochregallager statt: Grundfläche ca. 7.200 Quadratmeter, Höhe 43 Meter, 53.000 Palettenstellplätze.


Interview: Toni Greim

Dieser Artikel erschien im Mai 2024 in der Sonderausgabe INSIDE FUTURE 2024 #1

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