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#946

Fachmarkt-Scharmüzel im Südwesten

Trinkgut-Attacke der Edeka

Im südwestdeutschen Getränkedschungel ist ein Scharmützel entbrannt, das deutschlandweit eskalieren könnte. Die Edeka Südwest lockt kleine Verleger mit unmoralischen Angeboten zu Trinkgut (INSIDE 944). Müssen Wettbewerber und Lieferanten machtlos zusehen, wie Umsätze oder Margen verdampfen?

Trinkgut, die Erfolgsgeschichte der Edeka Rhein-Ruhr (260 Märkte, 800 Mio Euro Umsatz), wird jetzt von weiteren Regionen ausgerollt. Auch die Edeka Südwest will die Fachmarktwelt erobern. Anders als Edeka Südbayern, die zuletzt zehn neue Standorte eröffnete, hat es Südwest auf bestehende Getränkehändler und deren Standorte abgesehen. GFGH’s mit brauchbaren, also größeren Fachmärkten flattern seit November erstaunliche Angebote ins Haus. Laut INSIDERN wurden 250 Euro je Quadratmeter Ladenfläche als Prämie geboten, für Verleger, die sich Trinkgut anschließen wollen. Dabei hat das Konzept auch so schon genug zu bieten. Vor allem: erstklassige Konditionen und Einkaufspreise, ausgehandelt von der Edeka Südwest bzw. der Hamburger Zentrale. Und das überwiegt offenbar die Sorge, die Eigenständigkeit sukzessive an den LEH-Giganten abzutreten. Zu den ersten Händlern, die sich für Trinkgut entschieden haben – u.a. der Weissacher Gedig-Händler Holger Kugler (Getränke Galaxie) – gesellte sich letzte Woche der rund 10 Mio Euro Umsatz große Verleger Kern in Wiesenbach/Kurpfalz. Wolfgang und Steffen Kern, bisher starke Stützen der Gefako, schlüpfen mit ihren vier Fachmärkten unter die Trinkgut-Decke. Auch die Kerns drehen einen großen Teil ihres Volumens außerhalb der Fachmärkte, im Gastro und Festgeschäft.

Die Lieferanten aus der Industrie müssen nun entscheiden, ob sie die Abtrünnigen weiter direkt an ihre Rampen lassen. Von GFGH’s verlangen die Hersteller lupenreine Absatzmeldungen (über Gedat), vom LEH nicht. Theoretisch müsste die Industrie der Edeka aber auf die Finger klopfen, falls die Mengen (und die zugehörigen LEH-Konditionen) für die neuen Trinkgut-Jünger nun in deren Gastrosparten landen. In der Praxis freilich werden die Brauereien und Brunnen angesichts der enormen Marktmacht der Edeka eher brav die Klappe halten.
 
Bei der Gefako herrscht Alarmstimmung. Auf der nächsten Gesellschafterversammlung in zwei Wochen sollen Gegenmaßnahmen erörtert werden. Die Hoffnung richtet sich darauf, dass die Treueschwüre der Lieferanten nun auch eingehalten werden. Tatsächlich wird das Scharmützel im Südwesten inzwischen auch in anderen Landesteilen als Bedrohung wahrgenommen. Wenn die Edeka erfolgreich Getränkeumsätze außerhalb der LEH-Regale erobert, werden andere LEH-Größen folgen. Eine Rewe mit Lekkerland und Trinks hat die Expedition in die Getränkewildnis bereits begonnen.

Fachhandel, Impulsgeschäfte, Unterverleger und Gastronomie drohen von den LEH-Mächten kolonialisiert zu werden.
 
Hersteller scheuen, offen Widerstand zu leisten, doch gibt es auch unverfänglichere Wege. Behaupten zumindest Experten wie der Berliner Kartellrechtler Dr. Peter Gussone. Der Rechtsanwalt sieht die Vorstöße von Edeka/Trinkgut als bedenklich an. Zwar sind die jetzt in Ba-Wü angeworbenen GFGH‘s deutlich unter der vom Kartellamt definierten Grenze von 17,5 Mio Euro Jahresumsatz. Doch gibt es genügend Fälle, wo das Kartellamt Sorge hat, dass durch die Übernahme von vielen kleineren Unternehmen eine größere Bündelung erfolgt, im offiziellen Jargon spricht man von „Salami-Taktik“. Dem Entsorger-Multi Remondis ist es beispielsweise verboten, bei auch noch so kleinen Firmen anzudocken.

Schon als Trinkgut 2010 von Torsten Toeller an die Edeka Rhein-Ruhr verkauft wurde, gab es Einschränkungen. Gussone, damals Referent im Bundeskartellamt, erinnert sich an erhebliche Restriktionen. Die Edeka durfte viele Outlets nicht übernehmen, weil es in der Mikrobetrachtung lokal eine zu hohe Marktmacht gegeben hätte.

Unabhängig vom Kartellamt könnten Hersteller im Südwesten auch auf das Wettbewerbsrecht zurückgreifen.

Die bisherigen Vereinbarungen mit der Edeka Südwest beziehen sich häufig explizit nur auf Konditionen für den Einzelhandel. Manchmal sogar nur auf den Lebensmitteleinzelhandel und nicht auf den Fachhandel. Es soll im Ländle durchaus selbstbewusste Hersteller geben, die auch großen Händlern mal die Stirn zeigten. Legendär die Beendigung der Lieferbeziehung zu Kaufland durch Uli Zimmermanns Berg-Brauerei oder Ulrike Freunds Gold Ochsen, Ulm.

Die Edeka freilich wäre da noch mal eine andere Dimension und so sollen erste Mittelständler wie zuletzt Hirsch-Brauerei oder Dinkelacker brav beigedreht haben. Andere wie die Radeberger Gruppe haben die neuen Trinkgut-Jünger vom Direktbezug abgezwickt.       

Artikel aus INSIDE 946