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#898

GFGH schlägt Alarm: Wer soll das bezahlen?

ZNU-Standard: Die Bayern mit fjol

Mit ihrem Spin-Off fjol des ZNU an der Uni Witten/Herdecke kooperieren Dr. Axel Kölle und Dr. Michael Raß (vorne Mitte) mit ihrem Team u.a. mit dem Bayerischen Brauerbund, mit Bitburger und Hassia in Sachen Nachhaltigkeitsmanagement

Mit dem Wunsch nach verbriefter Nachhaltigkeit schlägt die Stunde der Zertifizierer, Berater, Nachhaltigkeitsstandardisierer und Optimierer. Jedes Versprechen muss abgesichert werden. Das kostet Mühe – und Zeit.

Der 510 Mio hl Bier plus 70 Mio hl AfG große AB Inbev-Konzern (der derzeit laut INSIDERN sein aktuell deutsches Portfolio ins Schaufenster stellt – INSIDE 897) will neben der Bremer Beck‘s-Brauerei bis 2028 vier weitere führende europäische Brauereien CO2-neutral und bis 2024 die Wertschöpfungskette konzernweit auf null Emissionen herunterfahren – also inklusive Vorprodukte (Landwirtschaft) und finaler Logistikkette. Bereits jetzt schreibt der Konzern in Deutschland nachgelagerte Logistikdienstleistungen für Spediteure aus, die sogenannten HVO-Diesel verwenden – mit einer mußmaßlichen CO2-Ersparnis von 90%. Mehrkosten sollen demnach vom Konzern ausgeglichen werden.

Anders als viele andere energieintensive Betriebe will AB Inbev nach eigenem Bekunden irgendwann tatsächlich CO2-neutral produzieren (und sich nicht wie viele andere Betriebe über Ausgleichprojekte quer über den Erdball davon freikaufen). Anders als andere Betriebe hat die Nachhaltigkeitsabteilung beim Thema grüner Strom allerdings auch mehr geklotzt als gekleckert. Anfang 2020 schloss AB InBev mit BayWa r.e. einen Vertrag über den Kauf von 100% erneuerbarem Strom für seine europäischen Brauereien. Das Virtual Power Purchase Agreement (VPPA) sieht die Lieferung von Strom aus zwei Solarparks mit einer installierten Gesamtleistung von fast 200 Megawatt über eine Laufzeit von zehn Jahren vor. Über 130 Megawatt davon gehen künftig an AB Inbev. Bis die neuen Solarparks ans Netz angeschlossen werden, überträgt BayWa r.e. Grünstromzertifikate (Guarantees of Origin) in Höhe von 75 Gigawattstunden aus dem Windpark La Muela in Saragossa an AB Inbev. Der Konzern operiert dabei nach den komplementären internationalen Reportingsystemen GRI- und SASB-Standard und wird von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG auditiert.

Mittelstands-Vorstoß aus Bayern

Kleiner Haken beim Wettbewerb: Die Errichtung von Solar- oder Windparks gestaltet sich für kleinere oder mittelständische Brauer naturgemäß schwierig. Damit ihnen die Nachhaltkeitsdebatte künftig aber weder kostenseitig noch in der Wahrnehmung der Endkonsumenten um die Ohren fliegt, hat der Bayerische Brauer Bund (BBB) – dort insbesondere Gf und Rohstoffexperte Walter König – zusammen mit dem Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) an der Universität Witten/Herdecke und deren kommerziellem Spin-Off fjol GmbH einen Nachhaltigkeitsmanager konzipiert. Er folgt in seiner Logik dem ZNU-Nachhaltigkeitsstandart, dessen Umsetzung am Ende auf Wunsch diverse Einrichtungen wie der TÜV zertifizieren – in Bayern die Vierkirchener QAL GmbH. Als weitere Partner für Beratung und Durchführung vor Ort stehen die Münchner Arqum und Doemens zur Verfügung.

Am Projekt „Nachhaltigkeitsstrategie“ des BBB nehmen mittlerweile rund 40 Brauereien teil, darunter Augustiner, Tucher, Erdinger und Andechser. Die Brauer bekommen mit der fjol-Plattform (und als Ausfluss vieler Arbeitsgruppensitzungen beim BBB) ein digitales Management-System an die Hand, das bei der Erfassung des Ist-Zustandes beginnt und sich über die sogenannte Anspruchsgruppen-Analyse zu den technischen und wirtschaftlichen Stellschrauben vorarbeitet.

Zur Überraschung mancher Mittelständler, die Personalführung bislang eher hemdsärmelig durchführten (und aktuell wahrnehmen, dass Fahrer und Kommissionierer nicht auf den Bäumen wachsen), ist im ZNU-Standard neben den beiden Säulen Ökologie und Ökonomie auch die soziale Komponente implementiert – was auch damit zusammenhängt, dass Brauereien für ihre Flotte zwar Rentner aus dem Ruhestand reaktivieren, die sich aber nicht mehr bemüßigt fühlen dürften, schwere Fässer zu schleppen. Und dass Mitarbeiter, die mit Rückenproblemen krankgeschrieben sind, nicht in jedem Fall Garanten dafür sind, dass das Unternehmen wie erwünscht prosperiert.
 
Ob andere Verbände wie die Freien Brauer oder die Slow Brewer, am Ende auch der Deutsche Brauer-Bund dem Beispiel Bayerns ähnlich folgt oder die Plattform direkt übernimmt, war Stand Redaktionsschluss noch nicht absehbar. Auch ohne bayerische Hilfe ist u.a. Bitburger schon seit geraumer Zeit über fjol mit dem ZNU-Nach­haltigkeits-Index verbunden. Auch Hassia lässt sich via fjol nachhaltig coachen.    

Artikel aus INSIDE 898