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Schwerpunkt Getränkekarton: Was kommt in den Karton?

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Während sich mit  Blick auf eine grüne Regierungsbeteiligung abzeichnet, dass Einwegflaschen und -dosen per Abgabe künstlich verteuert werden könnten, ist die Zukunft des unbepfandeten Getränkekartons völlig offen. Wird er zum Ausweichgebinde? Oder doch zum Auslaufmodell?

Ab 2022 muss laut Verpackungsgesetz auch auf Säfte in Einweg-Plastikflaschen Pfand erhoben werden. Getränkeverbundkartons (GVK) bleiben weiter davon ausgenommen - weil sie ökologisch mit Mehrwegflaschen vergleichbar seien. Eine Klassifizierung, an der sich mittlerweile viele reiben, auch wenn der lange geltende Terminus der „ökologisch vorteilhaften“ Einweggetränkeverpackung mittlerweile gestrichen wurde. INSIDER gehen trotzdem nicht davon aus, dass in absehbarer Zeit Getränkekartons bepfandet werden. Technisch, heißt es, sei dies zwar mit den Rücknahmeautomaten von Tomra möglich und auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert längst Pfand auf Getränkekartons. Doch die Verwertungskette nach der Rücknahme in Automaten wirft noch viele Fragen auf. Marktbeobachter verweisen zudem auf die starke Milchlobby. Der Milchindustrie-Verband hat schon die Pfandpflicht auf Milch in PET-Flaschen – vorerst bis 2024 – erfolgreich abgewehrt. Der Verband warnte vor allem vor „hygienischen Bedenken“ durch Milchreste in Pfandautomaten. Sogar das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) hätte laut Milchvertretern davor gewarnt, was das BfR jedoch dementierte. Die Pfandpflicht blieb trotzdem zunächst aus.

„Wir lehnen Pfand auf Getränkekartons ab“

Diese politische Entscheidung ist auch für Getränkekartons nicht unwichtig. In diesem Gebinde wird schließlich laut GfK Consumer Panel FMCG hauptsächlich (84%) Milch verkauft. 3,2 Milliarden Liter waren es 2020. Das Bundesumweltministerium (BMU) erachtet eine Pfandpflicht bisher aber ohnehin nicht als nötig, da das Recycling über die Gelbe Tonne bzw. den Gelben Sack gut funktioniere. Laut einer Analyse würden nur etwa vier Prozent der Wertstoffe im Restmüll landen, heißt es in einer Stellungnahme des Amts. Zudem verweist das BMU darauf, dass ab 2022 für Getränkekartons laut Verpackungsgesetz eine Recyclingquote in Höhe von 80% gilt. Da Getränkekartonverpackungen überwiegend aus Karton bestehen, so das BMU, könnten sie auch gut reycelt werden. „Eine Pfandpflicht würde dieses System nicht verbessern.“  

Das sieht auch der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN) so. „Wir lehnen ein Pfand auf Getränkekartons ab. Zwar könnten dadurch etwas mehr Milch- und Saftkartons gesammelt werden als über die Gelbe Tonne, das macht die Ökobilanz aber nur geringfügig besser. Auch ohne Pfand schneidet der Getränkekarton beim Klimaschutz deutlich besser ab, als alle anderen Getränkeverpackungen – einschließlich Glasmehrwegflaschen“, liest es sich in einem Statement des Fachverbandes. Dies belegten auch alle Studien der vergangenen 20 Jahre. Man erwarte darüber hinaus auch nicht, „dass die Grünen auf den Gedanken kommen, den Getränkekarton in die Pfandpflicht miteinzubeziehen“, heißt es auf Nachfrage. 

Gerne schmückt sich der Verband ohnehin damit, dass einst der Grünen-Politiker Jürgen Trittin in seiner Funktion als Bundesumweltminister den Getränkekarton mit „Hinweis auf gute Ökobilanz-Ergebnisse vom Pfand freigestellt hat“. An der ökologischen Bewertung habe sich bis heute nichts geändert, was auch eine neue Ökobilanz aus dem Jahr 2020 beweise, die der FKN beim Institut für Energie und Umweltforschung (Ifeu) in Auftrag gegeben hat. Es handle sich dabei um eine Ökobilanz, die den Mindestanforderungen des Umweltbundesamtes (UBA) entspricht und damit zur Vorbereitung politischer Entscheidungen (bspw. Pfandpflicht) herangezogen werden kann.

„Es wird noch Zoff geben“

Gegen die neue Ökobilanz, die eine Überarbeitung der Bilanz aus dem Jahr 2019 darstellt, die aufgrund zahlreicher Kritikpunkte zurückgezogen werden musste, formiert sich indes erneut massiver Widerstand. INSIDER sprechen von „haarsträubenden“ Ergebnissen. Vor allem die Ergebnisse zu den angeblichen Klimavorteilen von Getränkekartons gegenüber Mehrwegflaschen seien nicht stichhaltig. Im wesentlichen gehe es um CO2-Gutschriften, die für den Getränkekarton verteilt werden, weil dieser überwiegend aus Holz hergestellt wird. Begründet wird dies in der Ökobilanz damit, dass auf diese Weise CO2 aus der Atmosphäre über das Holz in die Verpackung gebracht wird. Dies sei jedoch nicht zulässig, so INSIDER, da es sich bei Getränkekartons um kurzlebige Einwegprodukte handle. Die CO2-Gutschriften seien „absurd“, eine „Peinlichkeit“ und hätten nichts mit der Realität zu tun. Es werde zu dieser Ökobilanz noch „einigen Zoff“ geben, prophezeien mit der Thematik vertraute Leute. 

„Das Märchen vom umweltfreundlichen Karton“

Die DUH hat vor geraumer Zeit sogar ein „Mythenpapier“ unter der Überschrift „Das Märchen vom umweltfreundlichen Getränkekarton“ veröffentlicht. Darin heißt es, dass 38% der Getränkeartons nicht im gelben Sack, sondern irrtümlich im Altpapier, im Restmüll oder gar in der Umwelt landeten. Dass, wie vom FKN behauptet, 3/4 aller Getränkekartons recyclet würden, stimme auch nicht. In Wirklichkeit seien es nur 29,9%, kritisiert die DUH. „Die Hersteller verschweigen, dass Restinhalte, fehlsortierte Stoffe und Materialverluste fälschlich als recycelt gewertet würden. Seit 2018 werden auch die Kunststoff- und Aluminiumanteile vollständig verbrannt.“ In der neuen Ökobilanz selbst ist tatsächlich eine geringere Recyclingquote von 42,5% auf das Gesamtsystem GVK angegeben (in der ursprünglichen Bilanz von 2019 wurde noch mit über 60% stofflicher Verwertung gerechnet).

Um die Quote zu verbessern, haben die drei großen deutschen Getränkekarton-Hersteller (Tetra PakElopakSIG Combibloc), die allesamt Mitglied beim FKN sind, in Deutschland rund acht Millionen Euro in eine neue Recyclinganlage investiert. Seit Mai dieses Jahres ist die Palurec GmbH in Betrieb. Mit der neuen Anlage können die Reststoffe, die aus den Papierfabriken kommen, also Polyethylen-Aluminium und der in den Verschlüssen enthaltene Kunststoff HDPE, zu neuen Sekundärrohstoffen aufbereitet werden. Alleiniger Gesellschafter von Palurec ist übrigens der FKN.

Doch wie sehen eigentlich die großen Saft-Hersteller den umstrittenen Getränkekarton? Bei Deutschlands Saft-Primus Eckes-Granini (292 Mio Liter laut INSIDE-Markensaft-Hitliste) nimmt der Anteil an Getränkekartons im Verpackungsmix seit Jahren kontinuierlich ab. Nach 18% im Jahr 2017 sind es aktuell nur noch rund 8%. Auch Valensina, mit 209 Mio Litern die Nummer zwei, erklärt auf Anfrage, dass der Absatz von Valensina im 1,5l Karton aktuell bei unter 10% liege. Die Kartonverpackung sei aus Sicht des Unternehmens zwar nachhaltig, das Recycling aufgrund der Verbundstoffe aber noch problematisch.

„Pfand auf PET-Saft-Flaschen überfällig“

Rückt aber nun die ausgeweitete Pfandpflicht auf Säfte den Getränkekarton wieder verstärkt in den Fokus? Bei Valensina heißt es dazu: „Wir waren von Beginn an Befürworter der ausgeweiteten Pfandpflicht und haben bereits einen Großteil unserer Flaschen darauf umgestellt. Unser Ziel ist ein Kreislauf aus 100% r-PET-Flaschen. Daher stellen Getränkekartons aktuell keine Alternative für uns dar.“ Zudem planten die Mönchengladbacher ihr Angebot in der 1l MW-Flasche zu erweitern.

Auch Eckes-Granini teilt mit, dass die Erweiterung der Pfandpflicht auf Saft und Nektar ein längst überfälliger Schritt auf dem Weg zu geschlossenen Kreisläufen und nachhaltigeren Verpackungslösungen sei. „Wir setzen uns als Unternehmen aktiv für Nachhaltigkeit ein und haben uns auch für das Saft-Pfand stark gemacht“, so ein Sprecher. „Nicht bepfandete PET-Saft-Flaschen werden aktuell über das duale System entsorgt und aufgrund von Verschmutzung und Vermischung größtenteils nur im Downcycling verwertet. Bepfandete Flaschen dagegen werden über den Rückgabe-Automaten sauber gesammelt und können dadurch unter anderem auch dem Recyclingkreislauf für Lebensmittelverpackungen wieder zugeführt werden. So steht grundsätzlich mehr recyceltes PET für den geschlossenen Wertstoffkreislauf zur Verfügung“, heißt es in dem Statement weiter.  

Was aber passiert, wenn zum Pfand zusätzlich noch eine Lenkungsabgabe in Höhe von 20 Cent pro Plastikflasche erhoben wird – wie sie u.a. von der Mehrweg-Allianz ab 2022 gefordert wird? Ist der Getränkekarton dann eine Alternative? In Nieder-Olm will man solch „hypothetische Überlegungen“ nicht kommentieren.       

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