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Print-Ausgabe

#935

Rauer wirft hin: Teufelsrad Paulaner

Paulaner auf Null - Rauers Abgang

Kaltstart zur Wiesn: Jörg Biebernick

Auf geht’s beim Schichtl: Pünktlich zur Wiesn verliert der neue CEO Jörg Biebernick seinen wichtigsten Kopf. Vertriebs-Gf R. Rauer hat hingeworfen. Immerhin: Ein neuer Exportchef ist im Anmarsch.

Just am Vorabend des Oktoberfest-Anstichs poppte im Intranet die Meldung auf, dass Raphael Rauer, Geschäftsführer Vertrieb Handel und Export, aussteigt. Er hat gekündigt und wurde (auf Drängen von 30%-Gesellschafter Heineken) mit sofortiger Wirkung freigestellt. Ein selten blöder Zeitpunkt, der bei Paulaner (zuletzt Gastrochef Jan Huff, 2022) Tradition hat. In den Boxen der Oktoberfestzelte gab es prompt nur noch ein Thema.

Dort stellte sich erstmals auch der zum Monatsanfang aus der Zigarettenbranche gekommene CEO Jörg Biebernick vor. Er startet bei Null, muss sich eine komplett neue Geschäftsführung zusammensetzen. Für seinen Vorgänger als CEO, Technik-Gf Jörg Lehmann gibt es noch keinen Nachfolger. Der Favorit, Produktionschef Frank Geisler, polarisiert intern, angeblich wird auch extern gesucht.

Und auch für Rauer braucht Biebernick einen Nachfolger, will sich den Vertrieb nicht selbst antun. Eine interne Lösung liegt nicht auf der Hand. Key Account-Chef Werner Roth hat die 60 überschritten. Auf Roth richten sich dennoch die Blicke. Rauer reißt ein erhebliches Loch in die Organisation. Nun muss erstmal Roth den Handelsvertrieb beisammen halten.

Der frühere Diebels-Mann Raphael Rauer kam 2017 von AB Inbev zu Paulaner. In München stieg er nach dem Rausschmiss von CEO Roland Tobias nur ein Jahr später in die Geschäftsführung auf. Er ist Handelsmann durch und durch, arrangierte sich nach gelegentlichen Scharmützeln mit Gastro/Marketing-Geschäftsführer Andreas Steinfatt, der als „Brauchtums-Haubitze“ und fast 30 Jahren Paulaner bislang als unantastbar gilt. Viele frühere AB Inbev-Kollegen stießen in Rauers Schlepptau nach München.

Dort dürfte die Entscheidung mancherorts zu Nervosität führen. Altgediente reagieren mit Achselzucken: Zur Wiesn dreht sich halt wieder das Teufelsrad. Rauer galt in der Organisation als Korrektiv für die hohen Ambitionen der Gesellschafter. Florian Schörghuber und sein Co-CEO „100-Mio-Euro-NicoNusmeier verlangen für die inkl. AfG und Kulmbacher Brauerei AG gut acht Mio hl große Gruppe eine Verdopplung des Gewinns. 2022 waren es 50 Mio Euro, aufgrund der Kostenexplosion ist die Entwicklung 2023 rückläufig. Biebernick versprach das EBIT-Wunder nun umzusetzen. Auf Rauers Widerspruch wird künftig verzichtet, was ihm auch von Nusmeier signalisiert wurde.  

Laut INSIDERN sind Paulaners Kennziffern für 2024 nicht gesichert, überall werden Etats gekürzt, nicht nur bei der großzügigen Distributions-Unterstützung für Paulaner Hell und Spezi, sondern auch bei z.B. Chiemseer. Berichten durften Rauer und seine Kollegen indessen nicht an den Schörghuber-Vorstand, sondern an eine neue Ebene, besetzt mit ehemaligen Investmentbankern. Im Familienkonzern wird auf Konzern gesetzt. Nicht nur am Nockherberg; die Schörghuber Gruppe wurde, angetrieben vom neuen Co-CEO Florian, 29, zuletzt radikal umgebaut. Bis auf Steinfatt ist in der C-Level-Ebene keiner länger als zwei Jahre im Amt. Mit dem Ende des Immobilienbooms und steigenden Zinsen sind im Kerngeschäft Bayerische Hausbau magere Zeiten angebrochen. Und die Getränkesparte muss mehr liefern.

Operation Noam – Willys Ende

Florian Schörghuber selbst ist Bier durchaus verbunden. So beteiligte sich der selbstbewusste Jungunternehmer über seine Berian GmbH mit 51% beim Start-up Noam. Unter diesem Namen will Gründer und 49%-Gesellschafter Daniel Noah Sheikh ein Edelbier in Weißglasflaschen verkaufen (24er Karton: 49,70 Euro). Zurückgegriffen wird dabei auch auf die Paulaner Gruppe, Noam wird bei der Tochter Schmucker hergestellt. In diesem Zusammenhang soll es zu Irritationen mit dem seit 2007 amtierenden Schmucker-Gf Willy Schmidt gekommen sein, wobei sich Florian Schörghuber selbst eingemischt haben soll. Ende vom Lied: Willy Schmidt, 61, verlässt die Braugruppe zum 31.10.

Exportchef aus der Craft-Versenkung

Konzernmann Biebernick, so berichten Mitarbeiter, habe intern bereits angekündigt, sich auf die wesentlichen Chancen zu konzentrieren. Die Wachstumsorgie von Paulaner Spezi (aktuell über 1,5 Mio hl, davon 200.000 hl Spezi Zero) soll fortgesetzt werden. Potenziale für Bier sollen im Ausland gehoben werden. Dort hatte Rauer nach dem Abgang von Exportchef Florian Ney fast ein Jahr lang selbst die Zügel in die Hand genommen. Auf der Wiesn sickerte nun durch, dass ein neuer Auslandsanführer unterschrieben hat. Neuer Boss der inkl. Paulaner, Hacker, Fürstenberg und einigen anderen Marken rund fünf Mio hl großen Abteilung wird Marcus Thieme, 48.

Ein Name, den keiner auf dem Zettel hatte. Thieme hatte 15 Jahre für Jägermeister gearbeitet, davon viel im Export – u.a. USA und Westeuropa, bevor er vor acht Jahren zu Greg Kochs Deutschland-Abenteuer Stone Brewing Berlin ging. Nach dessen Scheitern blieb er erst bei den Nachfolgern Brew Dog, wo er Ende 2020 gehen musste. Im Juli 2021 wechselte er als Geschäftsführer zu Brlo in Berlin. Jahresausstoß 17.000 hl (INSIDE 932), ein Hundertstel des Paulaner-Exports.

Rauer indes wird ihn nicht mehr einarbeiten können. Er wird München verlassen. Mit einem neuen Geschäftsführervertrag in der Tasche. Wohin es ihn zieht, ist noch ein Geheimnis. Es wird aber Bier sein. INSIDER, nicht nur im Sauerland, beschleicht ein Verdacht.       

Artikel aus INSIDE 935

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