High Noon bei Deutschlands früherem Volumen-Boliden: Nach dem Anfang vom Ende des thüringischen Standorts Gotha setzt Firmenchefin Pia Kollmar die Kosten-Säge nun auch bei der hauseigenen Logistik an. Der Osten und der Norden werden künftig nicht mehr angefahren – womöglich mit Ausnahmen.
Per Jahresende stellt die 2021 noch knapp vier Mio hl große Braugruppe ihre Eigenlogistik in den neuen Bundesländern, in Schleswig Holstein, Hamburg, Bremen und dem nördlichen Niedersachen ein. Es wäre die radikale Abkehr von der Philosophie des Patriarchen Günter Kollmar, jedes Outlet selbst anzufahren, das mindestens zwei Paletten Ware abnimmt. Jahrzehntelang war das ein Garant für die unangreifbare Marktführerschaft im Preiseinstieg.
Ob sich danach noch hin und wieder einer der 170 Lastwagen aus dem Gruppen-Fuhrpark in die Niemandsländer verirrt? In ein paar Zentralläger der LEH? In diese Richtung wird derzeit offenbar verhandelt. Was nicht groß genug ist, so die interne Devise, wird nicht mehr angefahren. Doch wer soll es sonst richten? Modelle wie im Osten, wo bereits seit längerem Getränkespediteure wie der Netto- und Edeka-Partner TCT, Altdorf, im Boot sind, lassen sich nicht einfach auf den Westen übertragen.
Oettingen muss konsolidieren, damit aus dem bilanziellen Jahresüberschuss von knapp 2,4 Mio Euro (und damit laut Bundesanzeiger inkl. Gewinnvortrag von 80 Mio Euro aufgelaufenen Bilanzgewinn von rund 82,4 Mio Euro) in 2020 nicht schnell ein Fass ohne Boden wird. Intern heißt es, die für Jahresende angekündigte Schließung des 1,8 Mio hl Kapazität großen Werkes Gotha sei genau genommen viel zu spät erfolgt (unabhängig davon laufen laut INSIDERN hinter den Kulissen diverse Verkaufsgespräche für Brauerei und Logistik). Jetzt kommen auch andere Parameter auf den Prüfstand: Wie berichtet (INSIDE 904) sollen im ersten Schritt Mehrweganlagen in Braunschweig, Mönchengladbach und Oettingen abgebaut werden, um die weiter bestehenden auszulasten.
Gotha kam spät. Für die Flotte wird es Zeit.
Step zwei: Lohnbrauverträge kappen, um mit dem Eigenmarkengeschäft flexibler zu werden. Und weniger Breite im Sortiment. Spätestens seit dem Knall mit dem wichtigsten Kunden Kaufland, bei dem Oettinger gefühlt seit Festlegung des Reinheitsgebots als Hausmarke fungiert, wird dort der Bauchladen von Vertriebs-Gf Peter Böck seit einer Preiserhöhung zum Jahreswechsel sukzessive ausgelistet. Ein harter Schlag, aber auch ein kalkulierter. In der Firmenzentrale hat man genau registriert, wie u.a. Aldi und unlängst auch Edeka (Werbespruch aktuell: „In jedem Edeka steckt ein Discounter“) die Dose Bier von 29 auf 49 Cent gehoben hat – eine Preissteigerung, von der Mehrweg nur träumen kann.
Berater Auxil rechnet mit (allem)
Die einst stolze blaue Oettinger-Flotte leidet seit langem unter dem Niedergang der Stoppmengen. Auch das Vertriebsmarkenkonzept (u.a.Bang Energyund das Molson Coors-Paket mit Coors Light, Miller Genuine Draft, Ožujsko aus Kroatien und Jelen aus Serbien) entfaltet nicht die gewünschte Auslastung. Den Unternehmensberatern der Bonner Auxil GmbH, die in Oettingen seit Monaten an Bord sind, dürfte das nicht entgangen sein. Sie wurden engagiert, um die Abläufe auf Effizienz zu trimmen. Intern heißt es, ihr Job sei nun bald erledigt. Angeblich mit einer Empfehlung, die Auswirkungen auf die Geschäftsführung haben könnte. Oder auch nicht.
Artikel aus INSIDE 909