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#891

Albershardt in Warstein: Catharinas Hekto-Hunter

Neue Marshalls für Catharina

Uwe Albershardt

Statt Trendscouts von Red Bull oder den Beratern von Roland Berger soll es jetzt Routine richten. Zu Sanierer Helmut Hörz gesellt sich ein altgedienter Getränke-Trapper. Schon kündigt sich ein weiterer Abgang an. 

Catharina Cramer will nicht verkaufen. Die seit 2006 in der Geschäftsführung aktive und seit dem Tod ihres Vaters Albert Cramer vor neun Jahren alleinige Inhaberin der Warsteiner Gruppe wechselt aber mal wieder die Hoffnungsträger. Ihrem im Sommer als CEO geholten Helmut Hörz, 61, stellt sie jetzt einen Mann mit Branchen-Erfahrung zur Seite. Es war die 43-Jährige selbst, die sich um Uwe Albershardt als Marketing- und Vertriebsgeschäftsführer bemühte. Eine Position, die zuletzt der Ex-Roland Berger-Aktivist Christian Gieselmann ausfüllte, von dem nicht viel mehr übrig blieb als die Perücke, mit der er bei der Fernsehserie Undercover-Boss überzeugte. Zuvor hatte sich Gieselmanns Roland Berger-Weggefährtin Alessandra Cama und davor der frühere Red Buller Martin Hoetzel an der Gesundung des seit 25 Jahren rückläufigen Unternehmens erprobt. Nun also Routine. Nun also Albershardt.

Der 60-Jährige schien im Sommer eigentlich mit einem Bein im Ruhestand, wollte kürzer treten, auf die Gesundheit achten, seine Karriere eventuell als Berater austrudeln lassen. Nach knapp 20 Jahren Beck & Co (AB Inbev) und 14 Jahren bei NGV und Team Beverage lockte im heimischen Bremen das Segelboot. Es kam anders. Erst erklärte er sich bereit, für den erkrankten Vorstandskollegen Jens Armbrust bei Team Beverage ein paar Monate dranzuhängen (bis mit Silke Rösler eine Nachfolgerin gefunden wurde), dann ließ er sich breitschlagen, für Catharina Cramer in ein großes Abenteuer zu reiten. Laut INSIDERN wurde er mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet. 

Viel verlieren kann Albershardt nicht. Der Karren steckt gewaltig im Dreck. Falls es nicht gelingen sollte, ihn herauszuziehen, wird man es nicht an Albershardt festmachen.

Am 1. Februar geht es los. DIe Herausforderungen sind riesig. Die Pandemie hat die Warsteiner Gruppe weiter ausgeblutet. Die Tochter Herforder, notdürftig ausgelastet mit Lohnproduktion für Edeka Rhein-Ruhr (u.a. Traugott Simon) darbt bei kaum 300.000 hl Eigenmarke. Der beabsichtigte Verkauf wurde mangels Interessenten im Sommer letzten Jahres abgehakt (INSIDE 856). Die Paderborner Brauerei leidet am mangelnden Abstand zu den Aktionspreisen der großen Marken: Die deutschlandweit distribuierte Biligmarke Paderborner rutscht auf 600.000 hl ab.

Frankenheim löst sich bei kaum 50.000 hl allmählich auf, San Miguel wandert wie berichtet (INSIDE 885) zu AB Inbev ab, obwohl der Warsteiner Vertrieb die Mengen der „spanischen“ Marke, produziert beim Hofbrauhaus Wolters, noch auf 40.000 hl verdoppeln konnte. 

Potenziale schlummern in der 2001 erworbenen König Ludwig Brauerei. Dummerweise besitzt Altinhaber Prinz Luitpold von Bayern, 70, aber neben den Rechten für den Export auch ein Vetorecht für alle Marken-Maßnahmen. Das Verhältnis zu Warsteiner ist traditionell schlecht, obwohl Catharina noch gerne an die Zeit in Gummistiefeln als Praktikantin in Fürstenfeldbruck zurückdenkt. Und so sperrt sich der Prinz seit Jahren gegen ein aus Marktsicht vielversprechendes Euro-Flaschen-Hellbier unter König Ludwig. Nur mit Mühe gab er die Tochter Holzkirchner Oberbräu für ein Ersatzprojekt her: In Kürze will Warsteiner mit Oberbräu Hell in den Markt gehen. Die Volumenerwartungen bleiben mittelfristig im unteren fünfstelligen Hektoliter-Bereich.

Warsteins Problem ist Warsteiner. Ist die Wende möglich? Und auf welchem Preisniveau? 

Hörz und sein neuer Branchenflüsterer Albershardt müssen sich vor allem der Hauptmarke widmen, deren Talfahrt (siehe Kasten unten) inzwischen die Wirtschaftlichkeit des Standorts in Frage stellt. Die in den grandiosen Urzeiten auf bis zu 10 Mio hl konzipierte, logistisch beispielhafte Brauerei (inkl. Gleisanschluss) wurde mehrfach zurückgebaut. Bei weniger als zwei Mio hl allerdings rutscht die Effizienz unter Industrie-Durchschnitt.

Und so muss Albershardt gleich zu Beginn die strategische Gretchenfrage beantworten: Wie hält er‘s mit dem Preis? Alessandra Cama hatte die Preiserhöhung Anfang 2018 zurückgezogen, was Warsteiner unterhalb der Konkurrenz und unterhalb von 10 Euro je Kiste in der Aktion positionierte. Das Aunahmejahr 2018 mit +5,3% blieb nur ein kleiner Huckel. Als die Preiserhöhung im Herbst 2019 nachgezogen wurde (Cama war da längst zu Zertus weitergezogen), ging es umso steiler bergab. Der für Frühsommer 2022 angekündigten Preisrunde der Pilsrivalen ist Warsteiner bisher nicht beigetreten. Offenbar wurde mit einer Wiederholung des 2018er-Effekts geliebäugelt.

Red Bull und Roland Berger mögen von der Ranch verschwinden

Eine heikle Frage, wofür Albershardt wenig Erfahrung beisteuern kann. Nach zehn Jahren bei Beck‘s wurde er 2001 zum Gastrochef befördert, bevor er für die Nordmann-Brüder erst NGV dann Team Beverage aufbaute. Ohne Kontakt zu LEH-Zentralen. Dort ist für Warsteiner mit Michael Grupp als Vertriebsdirektor Handel ein Profi im Einsatz. Grupp, zuvor u.a. bei BitburgerMars und Ritter Sport aktiv, kennt den Handel aus dem FF, genießt selbst bei Wettbewerbern hohes Ansehen. In Warstein allerdings klebt ein Makel an ihm: Cama war es, die ihn Anfang 2018 nach Warstein holte. Und an die Zeit der Roland Berger-Leute soll auf der Warsteiner-Ranch nichts mehr erinnern (genauso wie an die Turnschuh-Hipster von Red Bull). 

Sieht so aus, also ob Catharinas Marshalls Hörz/Albershardt neue Hilfssheriffs mitbringen wollen. Die Personalberatung Incharge (aus Bremen) ist hinter den Kulissen mit der Suche nach einem „Director Sales Retail D/A“ beauftragt. 

INSIDER wetten eine Kiste Whiskey, dass es sich um Warsteiner handelt.      

Artikel aus INSIDE 891

Warsteiner-Absatz seit 1994 in 1.000 Hektoliter Quelle: INSIDE-Marken-Hitlisten