Gänzlich eingeschlafen war die Debatte um höhere Pfandsätze nie, auch wenn die Glas-Preise sich zuletzt wieder entspannt haben. In Österreich haben sich die Brauereien jetzt einstimmig für ein höheres Pfand ausgesprochen. Rückenwind
für Deutschland? Wohl eher nicht.
Ösi-Vorstoß: Von 9 auf 20 Cent
Bewegung in die Sache kam, aIs die österreichische Regierung vor gut zwei Jahren die Einführung von Pfand auf Einweg-Getränkeverpackungen beschloss. Dosen und PET-Flaschen müssen in Österreich ab Januar 2025 mit 25 Cent bepfandet werden (Einwegglas konnten die Winzer bislang verhindern). Aus Sicht der Ösi-Brauer bietet das Dosenpfand die „historische Chance“, auch an den Mehrwegsätzen zu drehen.
Doch erst als der dominierende Brauer, die mit 60% MA ausgestattete Heineken-Tochter Brau Union im Sommer 23 ihren CEO Klaus Schörghofer vor die Tür setzte, war der Weg frei. Schörghofer wollte nicht an der Pfandschraube drehen, den kleineren Brauern drückt der Schuh ja deutlich mehr. Sein Nachfolger, der Niederländer Hans Böhm, sieht das pragmatischer. Und so sprechen sich die Mitglieder des Österreichischen Brauerei-Verbands nun einstimmig für eine Erhöhung des Flaschenpfands aus. Von aktuell neun Cent je Flasche (gilt seit der Euro-Einführung 2002, zuvor waren es 1,20 Schilling), soll der Satz Anfang 2025 auf mutmaßlich 20 Cent klettern. Die Kisten sind in Österreich ohnehin doppelt so hoch wie in Deutschland, mit drei Euro, bepfandet.
Schnell bekamen die deutschen Pfanderhöhung-Fans Wind von der Sache. Das Interesse ist groß. Nicht nur bei Brauereien aus der Grenzregion, die befürchten, dass ihr Leergut künftig in österreichischen Outlets abgeben wird, wo man bald sieben Euro statt wie hierzulande drei Euro für einen leeren Kasten bekommt. Sondern weil die Österreicher viele Probleme lösen müssen, die bei einer Anpassung hierzulande ebenfalls zu klären wären:
Die Zustimmung des Handels
Die großen LEH-Ketten, Billa (Rewe), Spar und Hofer (Aldi) kontrollieren über 80% des Markts. Dort gibt es noch erhebliche Widerstände, aufgrund der Preisoptik, vor allem aber wegen der Kosten für die Anpassung aller Rücknahmeautomaten. Tomra und Co wittern den großen Reibach und rufen absurd hohe Umstellungsgebühren auf. Dabei wären in Österreich 75% aller Automaten online, per Knopfdruck auf neue Pfandsätze einzustellen.
Die steuerliche Behandlung
Mit einer Erhöhung müssen Hersteller in den Bilanzen höhere Pfandrückstellungen bilden. Die Gesunden könnten sich über eine steuerschonende Gewinnschmälerung freuen, andere bekämen existenziellen Stress mit ihren Banken. In Gesprächen mit dem österreichischem Finanzministerium bemüht man sich derzeit um eine Lösung.
Die Umstellung selbst
Die Automatenhersteller wollen viele Wochen Vorlauf. Wie kann verhindert werden, dass sich Verbraucher und Händler mit Leergut vollsaugen? In Österreich wird an kreativen Lösungen gestrickt.
Warum Österreich kein Vorbild ist
Mit genauem Blick verfolgen Freunde und Feinde einer Pfanderhöhung in Deutschland nun die Entwicklung im Nachbarland. Doch gibt es viele Gründe, warum Österreich nur im Ansatz als Testlauf für Deutschland taugt:
- Der inkl. Import gut neun Mio hl große österreichische Biermarkt findet zu einem deutlich kleineren Teil in Mehrwegflaschen statt. Mit der Einführung einer verpflichtenden MW-Quote im Handel per 1.1.2024 wächst zwar der Bedarf (u.a. führen Brau Union und einige Wettbewerber demnächst die 0,33-l-Vichy MW ein), doch aktuell werden 60% des Volumens in Dosen oder in Einwegglas gefüllt.
- Individual-MW ist in Österreich fast nicht existent. In das mit Abstand dominierende Gebinde, die 0,5-Liter NRW füllen Österreichs Brauereien nach Schätzungen des Wiener Verbandschefs Florian Berger allein 2,5 Mio hl. Von der Pfanderhöhung sind nur 10 Flaschentypen betroffen (in Deutschland wären es allein 45 Poolgebinde, dazu unzählige Individualflaschen). Die Willensbildung zur Erhöhung ungleich einfacher, auch weil alle 220 Brauereien Österreichs in nur einem Verband organisiert sind.
Ganz anders das Bild in Deutschland: Während der Verband der Privatbrauereien und auch der Bayerische Brauerbund zumindest für die Prüfung einer Erhöhung ausgesprochen haben, hat der Deutsche Brauer-Bund mit großer Mehrheit beschlossen, dass eine Pfandanpassung derzeit kein Thema sei. Und daran wird auch die Erhöhung in Österreich nichts ändern.
Die Debatte lässt sich dennoch nicht ersticken. Kleinere Hersteller klagen bitterlich über einen stetig geringeren Rücklauf von Flaschen und vor allem Kisten. Sie glauben, dass sich viele der circa 150 Mio Bierkästen, die sich im Umlauf befinden, durch einen höheren Pfandsatz retten ließen. Der aktuelle Pfandsatz von 1,50 Euro jedenfalls liegt sehr nahe an dem Preis für Plastikgranulat. Und so wird das auf die Kisten geprägte Wörtchen „Brauereieigentum“ von manch Händler und Getränkelogistiker „übersehen“: Sie verkloppen die Kisten manches Langsamdrehers lieber an einen Recycler, als sie auf die Reise zurück zum Hersteller zu schicken.
Die Umlaufgeschwindigkeit für Flaschen würde sich ebenfalls erhöhen, behaupten die Befürworter einer Pfanderhöhung. Für acht Cent würde sich ja kaum mehr ein Flaschensammler bücken. Freilich müsste aus der Sicht vieler Erhöhungsfreunde zunächst mal das Thema „Individualflaschen“ behandelt werden (im Herbst sprach sich u.a. Für Sie-Vorstand Walter Steffens erneut für eine Handlingpauschale von sechs Euro je hl aus).
Andere haben die Faxen allmählich dick. Fritz-Kola-Macher Mirco Wiegert, der sein ganzes Marketing auf die Mehrweg-Glasflasche ausrichtet, trommelt schon seit langer Zeit für ein höheres Pfand. Falls sich für den Longneck-Pool nichts abzeichnen sollte, droht er nun im kleinen Kreis mit einem Alleingang und einer eigenen Fritz-Individualglasflasche.
Artikel aus INSIDE 944