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#897

AB Inbev sondiert wieder: Grabbelkiste Deutschland

Malz: Compliance-Alarm

Da schaute der Inhaber noch selbst vorbei: Kirill Minovalov (li.) mit Avangard Malz-Vorstand Thomas Druivenga auf der Drinktec 2009

Ein komplett überhitzter und von Aufgeregtheiten verwirrter Malzmarkt gerät – wie andere Branchen auch – unter Compliance-Druck. Die öffentliche Debatte darüber, wer in diesen Zeiten Geschäfte mit wem machen darf oder soll, beginnt eben erst.

Seit vielen Jahren sind europäische Mälzer in Russland und in der Ukraine engagiert. Malteurop – im Besitz des französischen Agrarkonzerns Vivescia – betreibt in der Ukraine zwei Werke mit einer kombinierten jährlichen Mälzereikapazität von 160.000 Tonnen.

Auch Soufflet – mittlerweile Tochter des französischen Agrarkonzerns InVivo – betreibt eine Mälzerei in Slavuta im Westen der Ukraine. Die Kapazität liegt bei 155.000 Tonnen. Weitere 120.000 Tonnen steuert die Firma Obolon des ukrainischen Millionärs, Geschäftsmanns und Politikers Oleksandr Slobodian bei. Allein Malteurop und Soufflet sollen in den letzten Jahren rund 200.000 Tonnen pro Jahr aus der Ukraine exportiert haben – eine Menge, die den internationalen Märkten auf absehbare Zeit nicht mehr zur Verfügung steht.

Alldieweil auch aus Russland keine Abhilfe zu erwarten ist. Zwar ist Soufflet über seine Soufflet Agro Rus LLC im russischen Getreidesektor vertreten und betreibt in St. Petersburg eine Mälzerei; und Malteurop hatte im August 2008 in der russischen Gerstenabaure­gion Belgoro die mit deutschen Anlagen aufgebaute Mälzerei Belgorsolod übernommen. Doch Wirtschaftssank­tionen, eingeschränkter Zahlungsverkehr, sowie die Bedenken und Compliance-Richtlinien der großen Abnehmer-Konzerne machen das Geschäft immer schwieriger. Solange es in Russland noch Braugruppen gibt, die dort produzieren und entsprechend Malz benötigen, dürften Soufflet und Malteurop weitermachen. Export? Njet.


Ein russischer Eigentümer – und ein Problem
Die Sorge, ins Visier öffentlicher Erregtheit zu geraten, wurde letzte Woche am Beispiel des deutschen Malz Marktführers Avangard deutlich. Ende 2006 hatten die damaligen Weissheimer-Inhaberfamilien Sarx und Weissheimer bzw. ihr Insolvenzverwalter noch Angebote für die seinerzeit 320.000 Tonnen Malz große, aber eben insolvente Gruppe gesucht (INSIDE 518). Wenig später schlug mit der russischen Avangard Bank der Hauptgläubiger zu.

Avangard-Inhaber Kirill Minovalov wollte seine Malz-Tochter Russky Solod in bester Gazprom-Manier nach Westen ausweiten. Lange Zeit lief das Geschäft geräuschlos, was auch am ehemaligen Werksleiter Gelsenkirchen lag. Thomas Druivenga managt die mittlerweile knapp 400.000 Tonnen große deutsche Malzgruppe souverän (und konnte auch anfängliche Marktirritationen über den Kurs des neuen Eigentümers elegant abfedern).

Dass die Firmenleitung indes vergangene Woche nicht nur einen Medienanwalt, sondern mit der Agentur AFC einen bundesweit renommierten Krisenmanager verpflichtete, war Folge eines Diskurses, der in den kommenden Wochen auch andere Firmen treffen könnte. Anonyme Hinweisgeber verbreiteten die seit 16 Jahren bekannte Neuigkeit, dass Deutschlands größter Mälzer einem Russen gehört.

Bei Avangard ist man jetzt offenkundig bemüht, die in diesen Zeiten etwas hügelige Personalie Minovalov wieder einzuebnen. Was nicht ganz einfach ist. Der 100%-Inhaber der Malzgruppe beflügelt wie andere Russen viel Phantasie um seine Person. Auf einer Liste mächtiger russischer Landbesitzer stand er (via Avangard Agro) 2020 auf Platz 9. So unbestätigt wie diese Angabe sind auch andere Besitztümer: eine Yacht (Avangard II), ein Privatjet und eine Cessna, mit der Minovalov, Jahrgang 1971, angeblich immer noch ab und zu durch die Gegend fliegt. Ist er deshalb für internationale Geschäfte diskreditiert? Auf den bisher veröffentlichten Sanktionslisten für Putin-Getreue steht er jedenfalls nicht. Mittlerweile wird von der Firmenleitung auch behauptet, er, Minovalov, sei in den Westen geflohen.

Für die wiedererstarkte deutsche Avangard Malz AG – 2020 erwirtschaftete das Unternehmen einen Jahresüberschuss von rund 8,4 Mio Euro nach 7,3 Mio Euro im Vorjahr – kommt die Diskussion zur Unzeit. Für Gersten-Lieferanten und Brauer allerdings auch. Mit geschätzt 180.000 Tonnen Malz Inlandsabsatz bedient Avangard bis zu 10 Mio hl Bier oder 10% der deutschen Bierproduktion (inkl. alkoholfrei).

Der Mälzer ist auch guter Kunde. Compliance-Diskussionen kann in dieser Situation keiner brauchen. Schon gleich keine öffentlichen.  

So scheint denn auch aus gutem Grund sowohl auf Kunden- wie auf Lieferantenseite die Tendenz erstmal dahin zu gehen, lieber abzuwarten. Der Wettbewerb ist ein heikles Geschäft; Konkurrenten wie Malteurop und Soufflet sind (oder waren) selbst in Russland aktiv.

Wenn im schlimmsten Fall die Ernte 2022 in Russland und der Ukraine verloren geht, wird die Welt ohnehin andere Top-Themen diskutieren. Weizen ist bedeutsamer als Braugerste.