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#915

Trinks ohne CEO: Visionen? Nein danke!

Magdeburg buddelt alte Bierschätze aus

Olav Skowronnek plant auf 1,3 Hektar Land unter anderem Gastronomie und Biergarten (oben links rot eingezeichnet) und eine kleine Brauerei. Sie (ebenfalls rot gekennzeichnet) soll der Mittelpunkt eines neu entstehenden „Campus“ mit Wohnbebauung werden. Auf der anderen Straßenseite (im Bild unten rechts) befindet sich das riesige, seit dem Abriss brach liegende, frühere Gelände der Brauerei Bodenstein.

Einst war die Brauerei Bodenstein die größte der Stadt, 1991 machte die Treuhand sie dicht. Direkt neben der 2009 abgerissenen Braustätte greift nun ein Nachfahre des Gründers neu an. Bis zu 40.000 hl sind angepeilt. Es ist nicht die erste „Wiederbelebung“.

Dass die besten Tage des Magdeburger Biers (vorerst) vorbei sind, zeigt sich in der zentrumsnahen Sieverstorstraße eindrücklich: Dort, wo einst mit Bodenstein die größte Brauerei der Stadt stand, klafft jetzt eine riesige unbebaute Fläche, nur der alte Sudturm steht noch. Einen Steinwurf entfernt plant ein Mann ein Mega-Projekt – mit Brauerei. Olav Skowronnek, 56, ist nicht irgendein Investor, sondern ein direkter Nachfahre des Bodenstein-Gründers August Leberecht Bodenstein (1798-1877).

1991 von der Treuhand stillgelegt, folgte 2009 der fast komplette Abriss der Traditionsbrauerei Bodenstein (firmierte zeitweise auch als Börde-Brauerei). Auf das ehemalige Brauereigelände möchte ein Berliner offenbar ein opulentes Wohnviertel mit 700 Einheiten zimmern. Deutlich bescheidener waren die ursprünglichen Pläne von Skowronnek: Eigentlich wollte er nur die alte Villa auf der anderen Straßenseite kaufen und sanieren. Doch die Dimensionen rund um die Sieverstorstraße 50 sind nun ganz andere: 1,3 Hektar Land besitzt Skowronnek. Er plant dort Wohnbebauung, Gastro inklusive eines weitläufigen Biergartens und eine Brauerei mittendrin. Das langfristige Ziel: bis zu 40.000 hl Absatz pro Jahr. Das Motiv: Endlich wieder eine mittelständische Magdeburger Brauerei aufbauen und die eigene Familiengeschichte fortschreiben. Die geht im besten Fall auch nach ihm weiter – wenn seine beiden Töchter oder sein Neffe (alle an der Brauerei beteiligt) Interesse haben, könnten sie übernehmen. Skowronnek selbst hat als Unternehmer mehrere Firmen aufgebaut und verkauft. Aktuell ist er Gf bei Actineo, einem Spezialisten für die Regulierung von Personenschäden mit 250 Mitarbeitern.

2020 trug Skowronnek die Biermarke wieder ein. Das erste Bodensteiner Pils gibt es schon, doch es wird noch in Halle bei der Lebenshilfe und nur in sehr kleinen Mengen gebraut. Das könnte sich kommendes Jahr ändern: Bis Ende 2023, 200 Jahre nach ihrer Gründung, soll die eigene Brauerei in Betrieb gehen – im August ist ein Jubiläumsfest, bestenfalls im neuen Biergarten, geplant. Für mehr Kapazität wird es zeitnah einen zweiten Braustandort außerhalb Magdeburgs geben – die Details werden erst in den nächsten Wochen offiziell, sagt Skowronnek. Nur so viel: Es würde „bestehende Infrastruktur“ genutzt. Gerade baut er ein Vertriebsteam für Gastro und Handel auf und hat sich den erfahrenen AfG-Mann und Brauer Christian Königs ins Boot geholt. Wie die Kooperation mit dessen bisheriger Firma, der Brauserei Gommern (macht zahlreiche Fassbrausen), aussehen wird, ist noch offen.

Skowronnek ist nicht der Einzige, der Magdeburgs Bierkultur wieder aufleben lässt: Auch das 1882 gegründete Sudenburger Brauhaus erlebt derzeit eine Renaissance. Der Boxpromoter Ulf Steinforth, zuvor als Mitbewerber im Bieterverfahren um Colbitzer gescheitert, belebte mit seinem Magdeburger Getränkekombinat 2014 die 1989 eingestellte Marke wieder. 2017 baute er eine Mikrobrauerei in Sudenburg, kommt jetzt auf rund 3.500 hl im Jahr. Die Flaschenabfüllung übernimmt noch das Frankenwälder Brauhaus aus dem oberfränkischen Naila (INSIDE 896), das Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hat. Sollte dem endgültig die Luft ausgehen, gibt es „Alternativen“, sagt Steinforth. Bodenstein sieht er nicht als Konkurrenz: „Jedes Bier mehr aus Magdeburg ist toll.“

Ob die besten Tage des Magdeburger Biers erst noch kommen, sei dahingestellt, aber: Es ist wieder da. 

Artikel aus INSIDE 915

Von der historischen Braustätte ist seit 2009 nur noch der Sudturm übrig. Auf dem Areal sollen 700 Wohnungen entstehen.