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#929

Steffis Mehrweg-Menetekel

Machtkampf bei Oettinger: Wer regiert 8 Mio hl?

Bei der Oettinger Braugruppe zündet die in den Beirat zwangsversetzte Matriarchin Pia Kollmar die nächste Wunderkerze: Jetzt soll es der Ex-Berentzen-Vorstand Stefan Blaschak richten. Sanierer Gino Biondi bleibt wohl weiter an Bord. Geht das gut?

Nach allem, was bisher bekannt ist, sollte Stefan Blaschak eigentlich zum 1. Juli offiziell CEO der acht Mio hl großen Wuchtbrumme Oettinger werden. Aus Bankenkreisen heißt es aber, die Personalie sei dort schon verhandelt worden, bevor sie im Haus durchsickerte. Dann musste alles schnell gehen. Auch eine Beirats-Entscheidung (dort sitzen mehrheitlich Angehörige der Familie Kollmar) erfolgte sehr zeitnah. Die Eile, mit der die für das Unternehmen so wichtige Entscheidung durchgepeitscht wurde, überrascht einerseits; andererseits fügt sie sich lückenlos in das Bild, dass Oettinger spätestens seit vergangenem Jahr abgibt.

Auf Druck der Banken waren im Frühjahr 2022 Unternehmensberater der Bonner Auxil GmbH an Bord gekommen (INSIDE 909), um die Abläufe auf Effizienz zu trimmen. Im Sommer hieß es, ihr Job sei bald erledigt; allerdings erstellten sie auch ein Sanierungsgutachten samt Sanierungsplan, was den Aufenthalt im Donauries naturgemäß verlängerte. Von Auxil resp. dessen Ex-Manager Michael Giesswein, der im Herbst als eine Art Sanierungs-Gf bei Oettinger installiert war, soll auch der Hinweis an die Baken erfolgt sein, Pia Kollmar sei im Beirat besser aufgehoben als in der Geschäftsführung – eine brutale Kränkung der Matriarchin, die in der Vergangenheit selbst nicht zimperlich mit Leuten umging, die ihr im Weg standen. Unvergessen, wie sie nach dem Tod ihres Bruders (und seinerzeitigen Mehrheitseigners) Dirk Kollmar die Witwe Astrid und deren Kinder entmachtete und 2017 Gefolgsleute von Dirk K. wie Technik-Chef Dr. Karl Liebl und Marketing- und Vertriebsgeschäftsführer Jörg Dierig rauswarf (INSIDE 789). Mit Dirk K.s Tod, scheint es, geriet bei der Braugruppe alles zunehmend aus den Fugen.

Das laut INSIDERN ziemlich toxische Verhältnis von Giesswein und Pia K. war bald zu Ende. Bevor sie grantelnd in den Beirat entschwirrte, zauberte Pia K. Gino Biondi aus dem Hut, einen versierten Sanierer (u.a. Deutz, Twintec, Mefro Wheels Solingen, Hohenloher), der zu Jahresbeginn Cief Restructuring Officer des Unternehmens wurde (neben Vertriebs-Gf Peter Böck). Biondi brachte nicht nur eigene Berater mit, sondern interimistisch auch Günther Diewald, Ex-Leiter Restrukturierung bei L-Bank BW, und Wendelin Quadt, Ex-Hewlett Packard-Manager, der ebenfalls interim den noch unter Pia K. abgedüsten kaufmännischen Leiter Michael Hofmann vertreten sollte. Quadt soll nun noch Hofmanns Nachfolger Martin Karl (kommt zum 1. Juli vom Sitzehersteller Franz Kiel, Nördlingen) einarbeiten.

Mit dem Verkauf der Braustätte Gotha an Paulaner im vergangenen Jahr (INSIDE 904) hatte der sowohl mit den Banken als auch mit der Belegschaft eng verdrahtete Biondi noch nichts zu tun. Allerdings dürfte der Verkaufserlös von mutmaßlich rund 10 Mio Euro die Banken optimistisch gestimmt haben, dass mit der Braugruppe im Rahmen des bis Ende 2024 terminierten Sanierungsverfahrens zu rechnen ist – im doppelten Wortsinn. Dass es zwischenzeitig dramatisch war, belegt ein Blick in die Bilanz des Geschäftsjahres 2021: Dort heißt es bei einem Jahresfehlbetrag von knapp vier Mio Euro, die „vereinbarten Finanzkennzahlen wurden zum Bilanzstichtag nicht eingehalten“. Die damalige „Konsortialfinanzierung mit einem Volumen von bis zu 66,25 Mio Euro“ wurde von dem Bankenkonsortium dennoch bis Ende 2024 verlängert. Mittlerweile taxieren Banken-INSIDER die Schuldenlast bei Oettinger inklusive diverser Kontokorrentlinien auf rund 30 Mio Euro; diese Zahl ist aber nicht abgesichert. Dass es 2022 beim Ergebnis besser gelaufen ist als 2021, steht kaum zu erwarten; laut INSIDE-Markenhiltiste (Ausgabe 918) verlor die Braugruppe 2022 allein bei der Marke 7,4%, rund 300.000 hl. Immerhin verhandelte Biondi vor wenigen Wochen einen für die Brau-Branche vergleichsweise moderaten Tarifabschluss mit der NGG: 3.000 Euro einmaliger Inflationsausgleich (erst 1.500 Euro und dann weiter monatlich je 150 Euro) und eine knapp siebenprozentige Lohnerhöhung in vier Etappen bis Mitte 2025. So etwas kommt bei den Banken gut an, alldieweil die drei Standorte Oettingen (4 Mio hl), Mönchengladbach und Braunschweig (je 2 Mio hl) derzeit ausgelastet sind – wenn auch noch zu oft mit dem falschen Sortiment. Und zu falschen Konditionen. Eigentlich ein Job für den Sanierer Biondi – umso erstaunlicher, dass er jetzt mit Stefan Blaschak einen CEO vor die Nase gesetzt bekommt.

Jetzt liegt der Ball bei den Banken

Doch: Kann der CEO durchregieren, wie er will? Sitzt am Ende Sanierer Biondi als Kontaktmann der Banken am längeren Hebel? Und warum kommt überhaupt ein mit hohen Befugnissen ausgestatteter Blaschak, wenn doch zu erwarten ist, dass Pia K. wieder (offiziell) am Ruder steht, sobald die Banken den Dampfer freigegeben haben? Hat der von Pia K. aus dem Hut gezauberte Berater selbst noch ein Kaninchen in petto? Investoren zum Beispiel? Aktuell sei da nichts dran, heißt es.

2008 war der gebürtige Gelsenkirchener Blaschak, bis dato in Diensten von Baars (Leerdamer), Hochland AG, Kamps AG und Lincoln International, als Nachfolger von Axel Dahm an der Spitze der Berentzen AG installiert worden (INSIDE 562), die er 2012 wieder verließ. Blaschak gilt bei vielen als harter Sanierer, aber auch als Filettierer. 2018 übernahm er die Gf bei der Bäckereikette „Lila Bäcker“ („Unser Heimatbäcker“), die ein Jahr später in die Insolvenz rutschte. Pia K.s Volte mit Blaschak ist Chance und Risiko zugleich: für Blaschak, für die Kollmars, für die 800 Angestellten. Der Ball liegt jetzt bei den Banken.

Artikel aus INSIDE 929