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#895

Ullis Überraschungs-Coup: GES kooft Lehmann

Lehmann Getränke: Der GES-Coup

Horst Lehmann

Die Radeberger Gruppe, Splendid Drinks und auch Krombacher waren heiß auf die Getränke Lehmann GmbH in Berlin. Kaum einer rechnete damit, dass die GES den Großen tatsächlich in die Quere kommen würde – doch Ulrich Berklmeir spielte im richtigen Moment seine mächtigste Karte. 

Die GES Großeinkaufsring des Süßwaren- und Getränkehandels eG übernimmt die Horst Lehmann Getränke GmbHPotsdam. Ein echter Coup auf dem GFGH-Markt. Eigentlich sah alles danach aus, dass Krombacher neuer Eigentümer wird. Bereits vor den Weihnachtstagen soll Krombacher-Chef Bernhard Schadeberg den Kaufvertrag bei Inhaber Horst „Hotte“ Lehmann unterschrieben haben. Dabei soll es sich laut INSIDERN um ein „faires Angebot“ gehandelt haben. Mit anderen Worten: Schadeberg, der Mann mit dem berühmten Igel in der Tasche, war als unfreiwilliger, unbezahlter und perfekter „Vorverhandler“ für den mittelständischen GFGH-Verbund im Einsatz. Die GES, die seit 2001 mit 40% an Lehmann beteiligt ist, konnte bei den aufgerufenen Konditionen mithalten und dank ihres festgeschriebenen Vorkaufsrechts zuschlagen. Zwar war allen Kaufinteressenten stets bewusst, dass eine Übernahme von Lehmann nur mit der GES am Verhandlungstisch möglich wäre. An eine Übernahme durch die GES selbst glaubten aber wohl die Wenigsten. 

Die eigene Tochter Welifa rangiert in Berlin nur unter „ferner liefen“. So war es für die unverändert großen GFGH-Ambitionen von Krombacher dann doch ein Dämpfer, als GES-Vorstand Ulrich Berklmeir letzte Woche – und damit kurz vor Ablauf der Frist – überraschend den Trumpf des Vorkaufsrechts beim Notar auf den Tisch legte und die 57,6% von Horst Lehmann nach Nürnberg holte. Die GES hält damit 97,6% und ist rückwirkend zum 1.1.2022 neuer Eigentümer von Lehmann Getränke. Die restlichen 2,4% bleiben bei Samir Rezgui, der auch weiterhin als geschäftsführender Gesellschafter bei Lehmann an Bord bleibt. Sein Vertag wurde jetzt langfristig verlängert. Hotte Lehmann, mittlerweile im zarten Alter von 83, will sich „in absehbarer Zeit“ aus dem operativen Geschäft seines vor 65 Jahren gegründeten Unternehmens zurückziehen – was auch immer das bei der Berliner GFGH-Ikone heißen mag. Neben dem berühmten Claim „Ick koof bei Lehmann“ bleiben auch die Mitarbeiter in der Hauptstadt erhalten.  

Bei der GES wurde der Kauf dem Vernehmen nach vom Aufsichtsrat einstimmig abgesegnet. Risiken sehen die Franken nicht. Selbst die von Berlin-INSIDERN auf eine Millionen-Summe bezifferten Bürgschaften, die Carlsberg noch bei Lehmann haben soll, sind für die GES kein Problem. Berklmeir kalmiert, die Bürgschaften seien überschaubar und in den letzten Jahren auf einen sechstelligen Betrag zurückgeführt worden. Mit Carlsberg bestehe in Berlin eine lange Parnterschaft, die auch mit der GES als neutralem Ansprechpartner fortgesetzt werde. Im Falle eines Scheiterns fällt die GES freilich weich und kann den vor Corona über 85 Mio Euro Umsatz großen und auf Gastronomie spezialisierten GFGH noch immer verkaufen. Wenn es denn nötig wäre. In den letzten Jahren tröpfelte bei Lehmann ein kleiner Überschuss (2019: 570.000 Euro) raus. Mit Weiterverkauf setzt man sich in Nürnberg aber nicht auseinander. Vielmehr liegt der Fokus auf den strategischen Vorteilen: 

 

1. Die GES rettet mit dem Lehmann-Deal Abrechnungsvolumen (54% bei Lehmann laufen über die GES), das bei einem Kauf duch Krombacher ziemlich sicher futsch gewesen wäre. Im zweiten Corona-Jahr hat die GES mit ihren 841 Mitgliedern den Zentralregulierungsumsatz von 2020 nur noch 721 Mio Euro auf 880 Mio Euro gesteigert.

2. Die GES ergänzt ihr Zwischenfachhandelsvolumen aus dem eigenen Warengeschäft (Bremer Spirituosen Contor BSC und Schokoring), das 2021 rund 220 Mio Euro Umsatz abwarf, mit dem Gastro-Geschäft von Lehmann. 

3. Die GES stärkt die Markt- und Verhandlungsposition für alle ihre Mitglieder.

4. Die GES wird für die internationale Schaumwein- und Spirituosenindustrie mit Sprit-Gastromarktführer Lehmann ein wichtigerer Ansprechpartner.  

5. Lehmann bleibt in Berlin, wo der GFGH von Industriebeteiligungen (Preuss, Welifa) geprägt ist, als Teil der mittelständischen GES-Familie unabhängig. 

Ulrich Berklmeir verwandelt Vorlage von Vater Alfred

Mit dem Erwerb von Lehmann schließt sich jetzt ein Kreis. Ulrich Berklmeir hat vollendet, was sein Vater Alfred vor über 20 Jahren begonnen hatte. Der Senior hatte damals die 40% sowie das Vorkaufsrecht ausgehandelt. Innerhalb von fünf Jahren hätten die restlichen Anteile folgen sollen. INSIDE schrieb dazu im November 2001: „GES kooft Lehmann.“ Am Ende sollte es doch noch über 20 Jahre dauern. Dabei sah es viele Jahre nicht danach aus, als ob die GES überhaupt zum Zug kommen könnte. 

An Hotte Lehmanns Verhandlungsfreude bissen sich im Laufe der Zeit mehrere (finanzstarke) Unternehmen die Zähne aus. Um die Jahrtausendwende klopfte die heutige Transgourmet-Tochter Fegro/Selgros an; auch die damals noch getrennt agierenden Berliner Weinhändler Löffelsend und Wein Compagny bekundeten Interesse. In der jüngeren Vergangenheit rückte der Berliner GFGH, der in der Selbstwahrnehmung Platzhirsch in der Hauptstadt ist, in den Fokus von Krombacher und Radeberger Gruppe. Ende 2018 war es der Milliardär Günter Thiel, der für sein GFGH-Sammelsurium Splendid Drinks als aussichtsreichster Kandidat galt. Für eine kolportierte Summe in Höhe von 30 Mio Euro soll er sich mit Horst Lehmann sowie seinem Geschäftsführer Samir Rezgui einig gewesen sein. Genervt von Thiels ewigen Nachforderungen hatte Lehmann den Deal im Oktober 2019 aber schließlich platzen lassen (INSIDE 838). Gut für die GES, die bei dieser Summe aus dem Rennen gewesen wäre. So aber hat Ulrich Berklmeir bewiesen, dass es sich bei der GES um mehr als einen kleinen Abrechnungsverein aus Nürnberg handelt.       

Artikel aus INSIDE 895

Ulrich Berklmeir