Unter dem Motto „Donnerstag ist E-Center-Tag“ legen süddeutsche E-(resp Edeka-)Center seit geraumer Zeit jeweils Donnerstags bei Kauf von zwei Mehrweg-Kästen (gleich welche Sorten) einen Kasten „Basinus“ (Franken Brunnen) oder auch die von Egerer, Pilsting, abgefüllte Hubauer-Eigenmarke „St. Matthias“ gratis obendrauf – eine Steilvorlage für alle, die die derzeit geplante Novellierung des Kartellgesetzes kritisch beäugen. Im Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums ist (neben einer Vereinfachung diverser Bußgeldverfahren) auch eine Aufweichung des – seit der legendären Rossmann-Affäre ohnehin nicht mehr praktikablen – Verbots des Verkaufs unter Einstandspreis vorgesehen („Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis anbietet ..“).
Herstellern, die bezgl. der donnerstäglichen Edeka-Ramsch-Aktion beim Kartellamt nachfragten, wurden dort vor vor wenigen Tagen wie folgt beschieden:
In Ihrer Eingabe weisen Sie darauf hin, dass die EDEKA Südbayern über einen längeren Zeitraum eine „Aktion“ anbietet, bei der der Kunde beim Kauf von zwei beliebigen Mehrweg-Getränkekisten eine Kiste Mineralwasser „als Zugabe“ erhält. Sie fragen, wie derartige Aktionen zustande kommen (wie sie wirtschaftlich sinnvoll sein können) und ob es Möglichkeiten der wettbewerbsrechtlichen Beanstandung gibt.
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sieht in § 20 Absatz 4 vor, dass Verkäufe unter Einstandspreis verboten sind, soweit sie durch Unternehmen mit „gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht“ durchgeführt werden.
In der von Ihnen geschilderten Situation gibt es zwei mögliche Varianten: entweder der Mineralbrunnen, dessen Getränke die Zugabe bilden, verkauft unter Einstandspreis an die EDEKA oder die EDEKA könnte das Mineralwasser unter Einstandspreis dem Endkunden anbieten.
Wenn der Mineralbrunnen unter seinen Herstellungskosten an die EDEKA verkauft, stellt sich das Problem, dass zum einen nicht geklärt ist, ob sich das Verbot des GWB auch an Hersteller richtet, die ja zumindest dem Wortlaut nach keinen Einstandspreis – sondern Gestehungskosten – haben. Zum anderen müsste der Mineralbrunnen eine überragende Marktstellung gegenüber Wettbewerbern haben, wofür es keine Anzeichen gibt. Sollte also der Mineralbrunnen dauerhaft unter Einstandspreis an die EDEKA verkaufen (z. B. weil er diese Aktion mit anderen Verkäufen quersubventioniert), wäre das kartellrechtlich wahrscheinlich nicht zu beanstanden.
Ob die EDEKA unter Einstandspreis verkauft, könnte nur mit einer sehr umfangreichen Prüfung festgestellt werden und hat im Ergebnis wenig Aussicht auf Erfolg. Da die Aktion offenbar bei jedem Kauf von Mehrwegkisten gilt, unabhängig davon, ob es sich um eine der vielen Biermarken, ein Produkt von Coca Cola oder einem anderen Hersteller von Getränken in Mehrweggebinden handelt, müssten wir uns von der EDEKA sämtliche Verträge mit sämtlichen Herstellern von Mehrweggetränken für das komplette Jahr vorlegen lassen und errechnen, ob alle Rabatte, die diese Unternehmen überhaupt der EDEKA gewähren, ausreichen, um diese Daueraktion zu finanzieren....... Es spricht bei dieser Variante ziemlich viel dafür, dass die EDEKA im Ergebnis das Mineralwasser nicht unter Einstandspreis verkauft, da sie die Werbekostenzuschüsse und sonstigen Vergünstigungen sämtlicher Hersteller von Getränken für diese Aktion einsetzen kann.
Dies entspricht im Übrigen den Erkenntnissen, die die Beschlussabteilung aus anderen Untersuchungen gewonnen hat. Auch wenn es von den Herstellern immer wieder bestritten wird, beruhen die Aktionen im Lebensmitteleinzelhandel im Getränkebereich ganz überwiegend auf Konditionen, die einer oder mehrere Hersteller dem Handel gewährt haben.
Erlauben Sie mir bitte ein paar nicht rein juristische Anmerkungen zum Schluss:
Auch wenn es damit keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die EDEKA unter Einstandspreis verkauft, ist klar, dass derartige Aktionen insbesondere die Wettbewerber der EDEKA aus dem Bereich der Getränkeabholmärkte stark in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten beeinträchtigen. Die Beschlussabteilung hat im vergangenen Jahr im Rahmen der Prüfung des Erwerbs der Trinkgut-Kette durch die EDEKA Rhein Ruhr intensiv die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse im Getränkeeinzelhandel untersucht. Bereits in diesem Verfahren ist sehr deutlich geworden, dass die großen Lebensmittelhändler von den Getränke-Herstellern deutlich bessere Konditionen bekommen, als die Getränkefachgroßhändler, die dann ihrerseits den Getränkeabholmärkten keine vergleichbaren Konditionen anbieten können. Weiter Vorteile haben die Lebensmitteleinzelhändler dadurch, dass der Kunde Getränke in der Regel nur noch im Rahmen von Aktionen kauft und die Lebensmitteleinzelhändler auf Grund ihrer sonstigen guten Einkaufskonditionen häufig auch Produkte, die typischerweise mit Getränken zusammen gekauft werden (Chips u.a.) deutlich billiger als Getränkeabholmärkte anbieten können. Im Ergebnis scheint es darauf hinauszulaufen, dass nur noch kleine Getränkeabholmärkte als Nischenanbieter und große Ketten wie Dursty als Wettbewerber des Lebensmitteleinzelhandels verbleiben und der Getränkefachgroßhandel entweder als Marktstufe verschwindet oder sich auf die Belieferung der Gastronomie bzw. auf reine Logistikdienstleistungen beschränkt.
Dieser Trend wird durch die Verkaufsstrategie der Hersteller, die offenbar z. B. im Bierbereich sich bei den Getränkefachgroßhändlern die Preiszugeständnisse zurückholen, die sie gegenüber dem Lebensmittelhandel machen mussten, stark gefördert. Jeder einzelne Hersteller mag strategische Gründe für sein Verhalten haben, insgesamt bricht damit aber am Ende auch für die Hersteller eine alternative Vertriebsschiene weg, die ihnen eine teilweise Ausweichmöglichkeit gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel geboten hätte. In den einschlägigen Verbänden sollte darüber nachgedacht werden, wem dieser Trend nutzt.
Auch wenn das Bundeskartellamt Ihrer Beschwerde aus den genannten Gründen nicht nachgehen wird, sind wir dankbar für Unternehmen, die uns auf derartige Umgehungs-Aktionen aufmerksam machen. Im Rahmen der Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel beleuchtet das Bundeskartellamt zudem umfassend die Lieferbeziehungen zwischen Handel und Herstellern. Auch dafür ist der von Ihnen geschilderte Sachverhalt ein wertvoller Hinweis.
Ich habe Ihr Schreiben zudem an die Landeskartellbehörde Bayern weitergeleite, die für die Ermittlung des Sachverhalts originär zuständig wäre. Auch für diese ist Ihre Information wertvoll, da sie zeigt, wie das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis umgangen werden kann.
Eva-Maria Schulze
Bundeskartellamt
2. Beschlussabteilung