Als vor zwei Wochen INSIDE unterfüttert mit statistischen Daten einen massiven Zuwachs von Bierexporten nach Russland belegte, war der Aufschrei groß – keiner will‘s gewesen sein. Eine zweite Notiz ging in diesem Zusammenhang fast unter: der Einbruch von Exporten nach China. So etwas ist nicht nur ungemütlich, sondern bietet ausreichend Potenzial für ein Bedrohungsszenario.
Ein Bürogebäude an der Majiabao West Road, Bezirk Fengtai, Peking. Hier residiert seit vielen Jahren die KaiSa Mingzun Beer. Die Vorgänger des heutigen Generalmanagers Yang Xu haben früher öfter mal mit der im mittelfränkischen Neuhaus ansässigen Kaiser Bräu telefoniert, heute ist der Kontakt ziemlich eingeschlafen. So schildern es jedenfalls Leute vor Ort. KaiSa ist noch immer einer von mehreren Importeuren für Kaiser (wirbt aber damit, der einzige zu sein). Angeblich nur in homöopatischen Mengen verkauft die laut INSIDE FUTURE (Ausgabe #1.23) 200.000 hl große Kaiser Neuhaus (u.a. Veldensteiner) via KaiSa Mingzun Bier nach China. Die Marke Kaiserwin gehört laut Kaiser Bräu nicht dazu; die Marke gehört dem Importeur, hergestellt wird in China. Weil Kaiserwin aber auf der chinesischen Website sehr klar mit Neuhaus in Verbindung gebracht wird, entsteht ein falscher Eindruck.
KaiSa Mingzun Beer, ausgestattet mit Dutzenden, wenn nicht Hunderten ähnlich lautenden Markenrechten, verkauft in China aber nicht nur vermeintlich mittelfränkiches Bier. Sondern auch KaisarKing , das zwar offenbar in Shandong, China, hergestellt wird, aber in der ganzen Aufmachung verblüffend den Getränken des China-Exporteurs Kaiserdom, Bamberg, ähnelt: historische Stadt-Silhouette, der rote Rand, das Konterfei einer historischen Person im Logo.
Flunsburg statt Flensburg: Wen juckt‘s?
Tricksen, täuschen, kopieren und immer billiger als das Original: Wer in China Bier verkauft, macht derzeit überall die gleiche Erfahrung. Black Beauty sieht aus wie Erdinger, kommt aber von der Chandong Gaotang JBS Bioengeneering, die ihre Produkte ausdrücklich für den Export aus China empfiehlt. Ein kürzlich präsentiertes Weißbier namens Flunsburg (samt Domain flensbeer.cn) in der Flens-typischen Bügelverschlussflasche ist womöglich eine Replik des langjährigen Importeurs, von dem sich Flensburg (10.000 hl in China) 2022 getrennt hat. Oder eben Kaisarking: Die Chinesen haben ihre Hausaufgaben gemacht und brauen, was das Zeug hält.
Längst haben sich Importeure und Exklusivpartner deutscher Brauereien eigene Marken offiziell registriert und sind in der Regel nicht angreifbar. Weniger Kaufkraft, hohe Jugendarbeitslosigkeit: Warum noch zu teuren Importbieren greifen, wenn das Fake aus einheimischer Produktion die Hälfte kostet?
2016, im besten Jahr aller Zeiten, verkauften die deutschen Brauer 2,6 Mio hl Bier nach China. Von da an ging es nur noch bergab. 2022 waren es nur noch knapp 1,5 Mio hl – Tendenz weiter fallend.
Hinzu kommen die von INSIDE bereits thematisierten Zulassungsvorausetzungen für importierte Produkte – lokale Anforderungen, Qualitätszeugnisse und -garantien, die Einhaltung chinesischer Standards und Inspektionsanforderungen, die über das Online-System der chinesischen GACC nachgewiesen werden müssen (INSIDE 894). Ein bürokratischer Irrsinn, der zusätzlichen Druck auf Importeure und Hersteller ausübt.
Wem möchte man‘s verübeln, der angesichts dessen „kooperiert“ und gleich in China brauen lässt?
Dagegen Russland: Unfassbare Zuwächse beim Export von Bier aus Deutschland zwischen 2016 (600.000 hl) und 2021 (2 Mio hl). 2022 lief das Geschäft wegen des Krieges in der Ukraine gebremst weiter (1,5 Mio hl), 2023 geht es aber rekordverdächtig durch die Decke: 550.000 hl in Q1/23. Und das sind nur die offiziell nach Russland verkauften Hektos – nicht die über die baltischen Staaten oder über Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan.
Handelshemmnisse baut auch Russland auf. Ab 15. Januar 2024 gilt: Wer ein Produkt dorthin exportieren will, muss es mit individualisierten QR-Codes ausstatten. Bei deutschen Brauerverbänden rechnet man von Investitionskosten von bis zu einer halben Mio Euro/Abfüllanlage. Ungeachtet dessen sucht die großteils nicht darauf eingestellte deutsche Brauwirtschaft derzeit noch ihr Heil im QR-losen Export in ein Land, das Krieg gegen die Ukraine führt, von weltweiten Sanktionen belegt ist und dessen Banken teilweise bereits vom internationalen Zahlungsverkehr Swift ausgeschlossen wurden.
Experten berichten gegenüber INSIDE von einem doppelten Husarenritt: Zuhause soll niemand mitbekommen, dass das Unternehmen Bier nach Russland exportiert. Und dort: am besten auch keiner. Zu groß ist mittlerweile die Angst vor Restriktionen hüben wie drüben – und jedem ist klar, dass die fetten Jahre nicht erst ab 15. Januar mit dem Znak-System, sondern schon vorher vorbei sein können: wenn die nächste Bank aus Swift austritt, Bier auf eine Sanktionsliste gerät oder die Russen keine Lust mehr haben, Bier zu importieren. Oder wenn sie „deutsches“ Bier künftig aus China beziehen.
Wer allerdings noch Geschäft mit den Russen macht, sollte den Währungsrechner bereithalten. Abgerechnet wird mittlerweile auch in chinesichen Renminbi, der türkischen Lira oder VAE-Dirham aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wo Russen eben noch Geld bunkern ...
Artikel aus INSIDE 928