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#894

INSIDE Mineralbrunnen-Hitliste: Vom Wert einer Branche

China, Russland: Brauer vor Export-Schock

Die für viele deutsche Brauer so attraktiven und unentbehrlichen Exportmärkte Russland und China ziehen die Daumenschrauben an. Es wird brutal – und zwar, laut INSIDERN, viel früher als befürchtet.

Laut Informationen, die INSIDE diese Woche von russischen Importeuren zugespielt bekam, plant die russische Regierung die verbindliche Einführung eines Track&Trace-Systems zur lückenlosen Nachverfolgung von Warenströmen bei Bier (siehe Kasten oben) schon unmittelbar nach Ablauf eines Pilotprojekts per 31. August 2022 – also in gerade mal sieben Monaten. Was damit auf die Brauer zukommt, skizziert ein fassungsloser Informant: Jeder einzelne Artikel (also jede einzelne Flasche, jede Dose) muss einen individuellen QR-Code tragen. Alleine für einen LKW mit 45.000 Dosen/Flaschen Bier müssten damit 45.000 einzigartige und unverwechselbare QR-Codes angefordert werden. 

Nach der Produktion müssen die Hersteller dem System zurückmelden, welche QR-Codes tatsächlich verwendet wurden und in die Auslieferung gehen. Dadurch werden diese QR-Codes im Produktverfolgungssystem freigegeben. Der Handel muss den Erhalt dieser Artikel im Lager ebenfalls melden und dann an der Kasse beim Abverkauf den Artikel scannen, damit er wieder aus dem Produktverfolgungssystem gelöscht wird. 

Noch ist nicht bekannt, ab welchem Datum es auch Pflicht für den Handel wird, auf allen Bieren im Verkauf einen QR-Code zu haben. Sofern allerdings ein QR-Code auf dem Produkt ist, ist das Scannen dieses Codes an der Kasse des Handelsunternehmens ab sofort obligatorisch. Von Seiten Russlands heißt es dazu, Zweck der Übung sei der Schutz vor Fälschungen und Schwarzimporten. INSIDER plädieren freilich für eine deutlich profanere Deutung der neuen Regularien: Alle QR-Codes müssen beim russischen Chestny Znak-System angefordert werden. Zentrales Durchführungsorgan von Chestny Znak ist das Zentrum zur Entwicklung aussichtsreicher Technologien (CRPT). Es gehört laut German Trade&Invest (GTAI) zu 50 Prozent der USM-Holding des Oligarchen Alischer Usmanow sowie zu jeweils 25 Prozent der Staatsholding Rostec und dem IT- und Telekommunikationsunternehmen Elvis-Plus Group.  

Die Kosten für die Generierung der digitalen Codes legt laut GTAI der Gesetzgeber fest. Zurzeit beträgt der Preis demnach 0,50 Rubel pro QR-Code (0,007 Euro) - eine Gelddruckmaschine irrwitzigen Ausmaßes für die, die davon profitieren. Die letzten verfügbaren, deutlich veralteten Zahlen weisen für Ende 2019 136.000 registrierte Firmen im System „Chestny ZNAK“ aus. Bis dahin wurden mehr als 7,2 Mrd DataMatrix-Codes generiert - aber das war ja nur der Anfang.

Was damit auf die deutschen Brauer zukommt, ist noch gar nicht absehbar. Branchenteilnehmer, mit denen INSIDE gesprochen hat, taxieren die Kosten alleine für die Anschaffung von Laserdruck-Geräten und technischer Infrastruktur auf mindestens 200.000 Euro. Die logistische Rückverfolgung jedes einzelnen Gebindes bis zum Endkunden in der hintersten Taiga ist damit noch lange nicht gewährleistet. Selbst durch viele Jahre in der Branche abgebrühte Brauerei-Manager (die aus Angst vor Repressalien nicht genannt werden wollen) sprechen inzwischen von „totalem Irrsinn“, „abartigen Plänen“ und massiven Handelshemmnissen der russischen Regierung. Zugunsten der eigenen Wirtschaft? Zugunsten jener Braukonzerne, die selbst in Russland aktiv sind (Carlsberg, AB Inbev, Heineken u.a.)?

Auch China zieht die Zügel straffer 

2021 sind die deutschen Bierexporte nach Russland (ca. 2 Mio hl) erstmals deutlich an denen nach China (ca. 1,6 Mio hl) vorbeigezogen. An den dürftigen Abgabepreisen (2020 in beide Märkte durchschnittlich rund 56 Euro/hl) dürfte sich 2021 nicht viel geändert haben, abschließende Zahlen liegen noch nicht vor. Doch auch das Geschäft mit China wird immer schwieriger. Mit den Verordnungen 248 und 249 regelt die Volksrepublik China neue Zulassungsvoraussetzungen für importierte Produkte - lokale Anforderungen, Qualitätszeugnisse und -garantien, die Einhaltung von chinesischen Standards und Inspektionsanforderungen, die über das Online-System der chinesischen GACC nachgewiesen werden müssen. Erst danach erhalten Antragsteller eine eindeutige Registrierungsnummer, mit der sie Waren nach China exportieren dürfen. Stichtag war der 1. Januar 2022. Da kann die Stimmung im Management deutscher Brauer schon mal kippen. So gesehen war die Zeit nach den Weihnachtsfeiertagen für einige Exportbrauer hierzulande alles andere als gemütlich. Bei der über 1 Mio hl Export großen Mannheimer Eichbaum-Brauerei beispielsweise soll der Bescheid aus China drei Tage vor dem Stichtag, also am 28. Dezember 2021, eingetroffen sein. Nicht nur dort erkennen die Verantwortlichen in den Regularien eine erhebliche Herausforderung. 

INSIDER rechnen mittlerweile vor, dass viele kleinere Brauereien ihr Exportgeschäft – ob mit China oder Russland – ohne fremde Hilfe künftig nicht mehr schultern werden. Die könnten diverse Verbände liefern – und Abfüllpartner. Es wird, so ein Brancheninterner gegenüber INSIDE, „ein Hauen und Stechen“ um freie Abfüllpartner geben. Mit ihrer geografischen Nähe zu Russland positionieren sich deutsche Mega-Brauer à la TCB (Dresden), Darguner oder auch der Oettinger-Standort in Gotha längst als Dienstleister.  

Und dann ist da noch die Sache mit dem Einweg-Pfand: In der Slowakei und in Lettland steht seine Einführung unmittelbar bevor, in den Niederlanden soll es Ende des Jahres soweit sein – ganz abgesehen von den bislang vor allem in Deutschland geführten Diskussionen um eine Zwangsabgabe auf Einwegverpackungen und Handelsquoten. Andere europäische Länder werden in den nächsten Jahren nachziehen. „Mal sehen“, so ein Branchenexperte, „wie lange wir uns Einweg dann noch leisten können.“      

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