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#935

Rauer wirft hin: Teufelsrad Paulaner

Brauer-Kampf ums Personal: Soviel kostet es diesmal

In finanziell anspruchsvollen Zeiten liefern sich Arbeitgeber und Gewerkschaft derzeit in Niedersachsen das letzte Gefecht in Sachen Tarifabschluss. Wo die Reise hingeht, ist durch die Abschlüsse in anderen Regionen längst vorgegeben. Kann das gutgehen?

Eine Woche vor der vierten Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag für rund 350 Beschäftigte bei den niedersächsischen Mittelstands-Brauereien Wolters, Einbecker und Wittinger (am 27. September) eskalierte die Situation dieser Tage deutlich. Die NGG rief zu 24stündigen Streiks auf – und drohte unverhohlen mit unbefristeten Streiks, sollten die Arbeitgeber bis kommende Woche nicht adäquat nachlegen. Man möge dort, hieß es, „vor der nächsten Runde am 27.9. verstehen, was bei gescheiterten Verhandlungen droht“.

Die drei Brauereien in Niedersachsen bilden gewissermaßen die Nachhut eines Verhandlungsmarathons, der in diesem Jahr die Braubranche erschütterte wie nie zuvor. Angestellte vieler GFGH dürften sich angesichts der meist auf Druck der NGG erzielten Tarifabschlüsse wehmütig schütteln. In der Regel liegen die kumulierten Lohnerhöhungen bei Vertragslaufzeiten um die zwei Jahre bei 430 Euro und damit deutlich über 10%, gemessen am Facharbeiter-Ecklohn in Gehaltsstufe IV. Hinzu kommen Inflationsausgleichs-Prämien von bis zu 3.000 Euro.

In Niedersachsen, wo über einen einjährigen Vertrag verhandelt wird, liegt die Forderung der NGG bei monatlich 385 Euro mehr, was in etwa einer Lohnerhöhung von 10% entspricht. Das Angebot der Arbeitgeber liegt bisher bei 2.000 Euro Inflationsausgleich und einer monatlichen Lohnerhöhung von 140 Euro ab 1. August 2024. Die Verhandlungen dort (von Seiten der Arbeitgeber angeführt von Michael Scherer als GF der Sozietät Norddeutscher Brauereiverbände) gestalten sich auch deshalb komplex, weil die Inhaberstruktur der Brauereien divergiert und bisweilen wenig Spielraum lässt (s. HB Wolters). Die Verhandlungsposition der Gewerkschaften steigt naturgemäß in dem Maß, in dem Arbeitskräfte generell zur Mangelware werden.

Die (in der NGG organisierten) Brauer gehen im Branchenvergleich allerdings deutlich voran. Nicht alle Haustarife halten da Anschluss. Der noch unter dem mittlerweile wieder abgesetzten Sanierungs-Gf Gino Biondi für die Oettinger Braugruppe abgeschlossene zweijährige Haustarif mit einer Lohnerhöhung von etwas mehr als 7% fällt im Vergleich dazu eher moderat aus. Allerdings pokern Arbeitgeber mittlerweile wieder mit dem sich abzeichnenden Rückgang der Inflation – nach dem Motto: Je später wir zu einem Verhandlungsabschluss kommen, desto geringer ist bis dahin womöglich die Inflation. Und desto besser im Umkehrschluss unsere Verhandlungsposition.

Das Werben um Angestellte führte diese Woche u.a. dazu, dass die Rewe Group „freiwillig und vorzeitig“ Mitarbeitern im Einzelhandel 5,3% und Mitarbeitern im Großhandel 5,1% mehr Lohn zahlt – ungeachtet dessen, zu welchem Ergebnis die laufenden Tarifverhandlungen dort am Ende führen. „Bereits ausgezahlte Beträge aus der Vorweganhebung“ würden bei einem späteren Tarifabschluss angerechnet, heißt es. Jetzt nur keine Zeit und kein Personal verlieren. Ob das den drei Brauereien in Niedersachsen gelingt? Man habe sich durchaus aufeinander zubewegt, heißt es hinter den Kulissen. Das heißt aber noch lange nichts. Die Situation dort ist verfahren wie selten zuvor.      

Artikel aus INSIDE 935