Zuletzt liefen die Drähte noch mal richtig heiß, geholfen hat‘s aber nur bedingt: Händler und Brauer, die 2022er-Chargen von Bifenazat-haltigem US- und CZ-Hopfen im Lager liegen haben, müssen sich beeilen, diese loszuwerden – zur Not dann außerhalb der EU.
Hinter den Kulissen köchelt das Thema schon länger, richtig Fahrt aufgenommen hat es (zur Verwunderung mancher Brauer) aber erst gegen Ende 2023. Seinerzeit wurde klar: Die EU räumt sowohl Hopfenhändlern wie auch Brauern nur sechs Monate ein, amerikanischen und tschechischen Hopfen mit zu hohem Gehalt an Etoxazol und Bifenazat (bzw. Biere, die damit gebraut wurden) loszuwerden – und damit Hopfenbestände aus den Jahren 2022 und davor. Stichtag für Produkte mit zu hohem Etoxazol-Werten: 8. April 2024. Ein Alptraum für Handel und Brauereien – weswegen nun umso mehr für eine spätere Frist bei Bifenazat gerungen wurde.
Interne Korrespondenzen, die INSIDE vorliegen, beweisen, mit welch harten Bandagen gekämpft wurde. So wandten sich Hopfenpflanzer aus den USA, aus Tschechien, die German Hop Industry Association und die Europäischen Brauer (Brewers of Europe) mit einem dramatischen Appell an den bei der EU-Kommission für Gesundheitsfragen zuständigen stellv. Generaldirektor für Nahrungsmittelnachhaltigkeit, Klaus Berend. Es drohten Verluste von über 100 Mio Euro für die Hopfenindustrie und schwerwiegende Auswirkungen auf die europäischen Brauer, wenn es bei der sechsmonatigen Übergangsfrist bis April bleibe. Zumindest dieses Angstgespinst ist erst mal vom Tisch. Eine entsprechende Verordnung wurde bislang nicht erlassen.
Mittlerweile gilt ein Termin im September 2024 für wahrscheinlich, bis zu dem Händler und Brauer ihre Problemfälle entsorgen können – sprich: verkaufen. Als hilfreich könnte sich hier erweisen, dass das Verbot der EU nur den europäischen Markt betrifft. Und damit weder die Schweiz noch alle nichteuropäischen Drittstaaten.
Was nicht offen kommuniziert, aber hinter den Kulissen umso heftiger diskutiert wird: Laut INSIDERN wurden viele US-Hopfen aus 2022 und früher mit Bifenazat und Etaxazol behandelt, so dass die verlängerte Frist für den Abverkauf Bifenazat-haltiger Hopfen nicht weiterhilft. Allerdings verweisen besonnene Stimmen darauf, dass die US-Hopfen vor allem in das Craftbier-Segment verkauft wurden, das in den letzten Jahren unbestritten schwächelt. Der Schaden gilt in der Breite als überschaubar, nicht aber für die betroffenen Brauer, die noch Lagerbestände haben. Intern soll es vor allem mit Blick auf ältere tschechische Hopfen Befürchtungen geben, dass Brauer die Händler in Regress nehmen könnten. Offenbar ein heißes Eisen. Von Seiten der Hopfenhändler wird beteuert, man verhalte sich „insofern ausschließlich rechtmäßig“.
Was ist Bifenazat eigentlich?
Bifenazat ist ein schnell wirkendes Kontaktgift, mit dem alle Milbenstadien sowie die Larveneier bekämpft werden. Im Jahr 2022 wurde zwar die Genehmigung für den Wirkstoff auf EU-Ebene erneuert – allerdings beschränkt auf die Anwendung von Bifenazat-haltigen Pflanzenschutzmitteln auf nicht genießbare Kulturen im Gewächshaus (um „ein hohes Risiko für Vögel durch die Langzeitexposition gegenüber Bifenazat“ und ein „hohes chronisches Risiko für Bienen“ zu vermeiden). In einem nächsten Schritt senkte die EU die zulässigen Bifenazat-Gehalte in Lebensmitteln im Mai 2023 auf die Nachweisgrenze ab. Nach dem Inkrafttreten der Verordnung, die ursprünglich für September/Oktober 2023 erwartet wurde, war eine Übergangsfrist von sechs Monaten vorgesehen.
Man wusste also relativ früh, dass die neuen Rückstandshöchstgehalte auch für Ware gelten, die sich bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung auf dem Markt befanden – im Fall von Hopfen aus den USA und aus Tschechien für Ware aus den Jahren 2022 und früher. „Aus diesem Grund“, so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) schon im Mai 2023, „wird empfohlen, mit Bifenazat-haltigen Pflanzenschutzmitteln behandeltes Erntegut nicht für die Verarbeitung zu Konserven und Tiefkühlkost zu verwenden, deren Mindesthaltbarkeitsdatum April 2024 überschreitet“.
Top 9 der deutschen Hopfenhändler*
- Barth Haas-Gruppe (Umsatz rund 400 Mio Euro p.a.; mit diversen Submarken früher übernommener Handelshäuser)
- Simon H. Steiner Hopfen (mit diversen Submarken früher übernommener Handelshäuser)
- HVG Germany
- BayWa
- IGN
- Spalter Hopfen / HVG Spalt
- Lupex
- Eisemann
- Weitere kleinere Händler / Online-Händler
* Nicht berücksichtigt in dieser Aufzählung sind ausländische Handelshäuser wie Yakima Chief Hops (USA), Copoudal (FR) u. a. (Quelle: INSIDE-Berechnungen)
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