Als Gregor Schlederer 2018 das Zepter der Wildbräu übernahm, war Social Media in der Brauerei noch ein zartes Pflänzchen. Warum er dieses unbedingt düngen wollte, erzählt der Bräu im Interview mit INSIDE FUTURE. Außerdem spricht Schlederer darüber, wie viel Zeit und Geld tatsächlich in den Aufbau einer starken Online-Präsenz fließen, welche Erfolge damit bereits erzielt wurden und warum ihm ausgerechnet die Hamburger Marke Astra als Vorbild diente. Heute hat Wildbräu auf Instagram übrigens 43.500 und auf TikTok 39.300 Follower.
Gregor, wann habt ihr mit Social Media angefangen und was war der Hintergedanke dabei?
Das war 2019. Wir sind eine kleine Brauerei und haben ein begrenztes Budget – da muss man schon schauen, wie man am billigsten Werbung machen kann. Anfangs war Social Media Neuland für mich, aber ich wollte lernen und der Mannschaft zeigen, dass es wichtig ist. Jeder sollte involviert sein.
Habt ihr euch dafür an anderen Unternehmen orientiert?
Ich war und bin immer noch ein großer Fan des Humors von Astra und ihrem Markenauftritt. Die hatten damals eine Vorbildfunktion. Anfangs haben wir hauptsächlich Bilder gepostet. 2020 haben wir uns dann professionelle Unterstützung ins Haus geholt und eine Mitarbeiterin für Social Media eingestellt. Für unsere Verhältnisse haben wir damals ziemlich viel Geld in Ads investiert, um bekannter zu werden.
Heute seid ihr im Bereich Social Media breiter aufgestellt.
Kreativität kommt nicht nur von einer Person, deshalb haben wir uns dazu entschlossen, das nicht auf einen Mitarbeiter auszulagern. Wir teilen heute die Aufgaben auf Julian, Roman und mich auf. Wir drehen, planen und posten gemeinsam mit den Ideen unserer Mannschaft. Was mit zwei geplanten Videos beginnt, endet oft mit fünf – dank der vielen Einfälle der Mannschaft. Wir haben die Ads dadurch stark reduziert.
Wie viele Stunden steckt ihr pro Woche in euren Social Media-Auftritt?
Wöchentlich etwa vier Stunden. Täglich gibt's zwei Storys und dreimal die Woche einen Post. Früher haben wir täglich gepostet, aber das wurde auf Dauer zu viel.
Wie habt ihr eure Zielgruppe definiert, die ihr mit euren Postings erreichen wollt?
Eine bestimmte Zielgruppe haben wir nicht. Bier ist ein Kulturgut, Inbegriff von Heimat und soziales Bindungsmittel. Das wollen wir in den sozialen Medien auch zeigen. Wir posten, was uns gefällt und was wir lustig finden. Da gibt es dann auch mal einen auf den Deckel, wenn es zu grob ist. Es gefällt auch nicht immer alles jedem. Alle Mitarbeiter, die mitmachen möchten, erhalten Zugang zu unseren Social Media-Kanälen und können direkt posten, ohne dass es vorher kontrolliert wird. So bleibt der Inhalt echt und spiegelt unsere junge, motivierte Truppe wider, die weiß, wie wichtig Social Media für unseren Erfolg ist.
Welcher Social Media-Kanal ist der wichtigste für euch?
Wir sind auf allen gängigen Plattformen vertreten und teilen überall den gleichen Inhalt. Ob das die beste Strategie ist? Ich bin mir da nicht sicher. Die wichtigsten sind auf jeden Fall Instagram und Tik Tok.
Woran bemesst ihr den Erfolg für eine Social Media-Kampagne?
Eine richtige Auswertung machen wir nicht. Wir freuen uns, wenn ein Post oder eine Story viral geht. Am Ende des Tages wollen wir ein richtig gutes Bier für die Heimat brauen und die Leute hier mit unverfälschtem Humor und Tiefgang für unsere Brauerei begeistern. Was wir festgestellt haben: Seit wir Social Media machen, haben wir sicher jede Woche zwischen fünf und zehn Bewerbungen. Auch für Stellen wie Fahrer oder Buchhaltung. Das wäre ohne unseren Auftritt in den sozialen Netzwerken sicher nicht in diesem Umfang der Fall. Auch schaffen wir durch die Videos eine gewisse Nähe zu den Endkunden sowie zu den Händlern oder Wirten. In gewisser Weise kennen die uns durch Social Media schon etwas und wissen, wie wir ticken.
Wie hoch ist euer Budget im Jahr für Social Media?
Wir geben im Jahr ungefähr so viel wie für eine Teilzeitstelle dafür aus.
Die 1060 vor den Toren Münchens gegründete Wildbräu ist eine der ältesten Brauereien der Welt. Heute wird sie von Gregor Schlederer, 34, in siebter Generation geführt. Der Sohn des 2015 überraschend verstorbenen Grafinger Bräus Max Josef Schlederer hat Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan studiert. Handwerkliche Erfahrung sammelte er in diversen Praktika (u.a. Unertl-Haag, Steamworks-Vancouver, Brooklyn Brewery-New York) sowie einem Traineeprogramm bei AB Inbev in Bremen. Als er 2018 als Inhaber und Alleingeschäftsführer anfing, war Wildbräu „weit weg von einer soliden Brauerei“, erinnert sich Schlederer. Der Fokus lag ursprünglich auf Exporten nach Italien, Hamburg und Berlin. Zwischenzeitlich wurde sogar mal über einen externen Partner nachgedacht. Verhandlungen mit einem großen Getränkeunternehmen aus OWL wurden abgebrochen, man hatte selbst Erfolg. Die Wende kam mit dem damals erst 22-jährigen Johannes Hartwig, der nach dem Abgang von Schlederers Mentor Jan Opper dessen Stelle als Braumeister antrat. Das Duo beschloss, sich auf die regionalen Wurzeln zurückzubesinnen. Dadurch konnte der Absatz auf rund 25.000 hl Bier verdreifacht werden. Hinzukommt nochmal dieselbe Menge an AfG (u.a. Spezi). Mit einer kleinen Mannschaft von 18 Mitarbeitern braut Wildbräu zwölf verschiedene Sorten Bier nach dem Motto: „Urbayerischer Biergenuss für unsere Heimat.“
Interview: Holger Messner
Dieser Artikel erschien im Mai 2024 in der Sonderausgabe INSIDE FUTURE 2024 #1
Weitere Themen:
- Die blaue Stunde: Ein Interview mit dem Konsumforscher Jens Lönneker
- Die neue Eckkneipe: Wird Fassbier doch wieder sexy? Ein Ausflug mit Giesinger
- Der MBG-Babo auf Sendung: Andi Herbs unwiderstehliche Kundenansprache
- "Unsere Leute, unser Kapital": Hövelmanns Personal als Spiegel der Kunden
- Jeder Kanal ist recht: Wie sich der GFGH Göbel online vernetzt
- Dr. Owl: Quetschen? Tropfen? Beuteln?
- Was wurde eigentlich aus ... air up?
- Zum Schluss. Jäger und Schwärme
Die komplette Heft-pdf finden Abonnenten hier.