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Air Up: Keine Kalorien, kein Zwischenhandel

Das junge Münchner Unternehmen air up hat in den ersten zweieinhalb Jahren seine Umsätze um 4.400 Prozent gesteigert. Möglich ist das zum einen durch eine innovative Trinkflasche, die Wasser in Verbindung mit einem Duftring Geschmack verleiht. Und zum anderen durch Umstellung auf Direktvertrieb und zielgruppengerechtes Influencer-Marketing.

Es ist eine der innovativsten Getränkeideen der vergangenen Jahre. Vom ersten funktionalen Prototypen bis zum Marktstart Mitte 2019 waren drei Jahre vergangen. Heute feiert die Trinkflasche air up große Erfolge. Das liegt vor allem an der so simplen wie genialen Idee: Das Wasser  bekommt alleine durch retronasale Aromawahrnehmung einen Geschmack. Möglich macht das ein Duftpod, der mit verschiedenen Aromen befüllt ist und direkt um den Trinkhalm aufgesteckt wird. Trinkt man aus der Flasche und riecht zugleich am Aromaring, gaukelt einem das Gehirn vor, das Wasser würde nach Apfel, Himbeere, Limette oder auch Cola schmecken. Eine 0,0-Kalorien-Lösung nicht nur für Gesundheitsbewusste, sondern auch für Allergiker.

Den Geistesblitz dazu hatten die beiden Gründer Lena Jüngst, 29, und Tim Jäger, 30, während ihres Produktdesignstudiums. Später kamen die Co-Gründer Fabian Schlang, 33, Jannis Koppitz, 29, und Simon Nüesch, 31, dazu. Um die kostspielige Hardware-Produktion und den Roll-Out stemmen zu können, ging das Münchner Start-up auf Investorensuche und wurde bei den Höhle der Löwen-Investoren Frank Thelen und Ralf Dümmel fündig. Bald darauf investierte auch Columbus Drinks-Gesellschafter Christoph Miller mit seiner Venture Capital-Gesellschaft Oyster Bay. „Mit dem Geld, das wir eingesammelt hatten, konnten wir uns die erste Produktion und den Marktstart leisten“, erklärt Lena Jüngst im Gespräch mit INSIDE FUTURE. Innerhalb von acht Wochen waren die ersten 80.000 in China produzierten Starter-Sets (Trinkflasche + 2 Duftpods) ausverkauft. „Das war für uns unglaublich“, erinnert sich Jüngst. Ab diesem Zeitpunkt galt es, richtige Unternehmensstrukturen aufzubauen. Dafür konnte air up den erfahrenen Gründer Christian Hauth  (43, Schweizer Online-Marktplatz Siroop; Fitness-Start-up Freeletics) als weiteren Geschäftsführer und heutigen Co-CEO an Bord holen. Mit ihm wurden auch einige Strukturen umgeworfen.

„Wir hatten unseren Vertrieb ursprünglich offline geplant. Vor Corona war der Online-Einkauf von Lebensmitteln noch weit weg. Außerdem dachten wir, im LEH sind wir richtig aufgehoben. Dort suchen Leute nach Getränken, wir erreichen eine größere Zielgruppe und wir können am POS Verkostungen machen und potenzielle Kunden abgreifen“, so Jüngst. Mit der Holzhammer-Methode hatten die jungen Gründer zunächst versucht überall Listungen zu erhalten: „Wir standen am Schluss bei Rewe, Edeka, Aldi, in Baumärkten und bei Woolworth. Aber das waren keine nachhaltigen Platzierungen. Das Geschäft war oft aktionsgetrieben. Für einen kurzen Zeitraum war das attraktiv, aber das war nichts, wo wir einmal die Bedingungen verhandelt haben und dann eine langfristige Kooperation hatten. Das war aufwändig und dazu fehlten uns die Kapazitäten. Wir brauchten also ein Standbein, das sehr viel zuverlässiger ist, bei dem wir von weniger Außenfaktoren abhängig sind. Und so stellten wir Anfang 2020 auf einen D2C-Vertrieb über unseren eigenen Webshop um. Bei einem Direktvertrieb hast du die totale Kontrolle – nicht nur über den Preis, sondern auch über Produktdarstellung und Kundendaten.“

Heute setzt air up im Handel nur noch auf wenige Kooperationen wie mit Müller oder Rossmann, wo air up schon eingeführt war. Die Entscheidung für den Direktvertrieb sollte sich auszahlen. Machte air up im ersten halben Geschäftsjahr zwei Mio Euro Umsatz, so verzehnfachte sich dieser im Jahr 2020. Für den Direktvertrieb setzt das Start-up ausschließlich auf Onlinemarketing. Jüngst: „Wir legten uns auf die Generation Z, also die 18- bis 25-Jährigen fest, weil die in der Online-Welt am aktivsten ist und keine Hemmung hat, im Netz etwas einzukaufen. Zudem lässt sich diese Zielgruppe am besten mit Testimonials oder via Influencer-Marketing abholen.“

Damit schlägt air up zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Werbung in den sozialen Netzweken klärt die Verbraucher auf, gleichzeitig können sie dort direkt bestellen. Der Marketing-Etat bildet somit gleichzeitig den Vertriebsetat.

Entsprechend der definierten Zielgruppe wurde die Ansprache und der Markenauftritt angepasst und findet über Instagram, TikTok, Twitch und Facebook statt. Um nicht von einem Kanal abhängig zu sein, arbeitet air up mit einem Multi-Channel-Ansatz (Influencer Marketing, Paid Social Media/Performance Marketing, Youtube Marketing), bei dem jeder Kanal je ein Drittel im Kommunikationsmix ausmacht.

Entscheidend ist, dass bei jeder Marketing-Maßnahme die Effizienz stimmt. Influencer-Kampagnen sind mittlerweile teuer. Anfangs reichte es noch, Influencern das Produkt zur Verfügung zu stellen. Heute kassieren sie richtig ab. In Italien gab es eine kostspielige Kooperation mit Chiara Ferragni, mit knapp 27 Mio Insta-Followern eine der größten Influencerinnen weltweit. Bezahlt wird das Feuerwerk vom air up-Investorenkreis, zu dem weitere Player dazustießen. Aktuell engagiert sind u.a. PepsiCo, die Ippen-Mediengruppe, die Venture Capital-Gesellschaft Food Tech Opportunity, Winning Mindset Ventures, Five Seasons Ventures und Carl-Claudius Rosengarten über seine RoBet KG. Die Gründer selbst halten zusammen noch rund 30% an ihrem Unternehmen.

Als die Taschen noch weniger prall gefüllt waren, setzte air up vor allem auf Youtube. Die Videoplattform eignete  sich perfekt, um die innovative Trinkflasche in kostengünstigen Videos zu erklären. Aktuell legt air up den Fokus auf die Gaming-Plattform Twitch. Deren Zielgruppe sitzt zu Hause viel vor Rechnern, gleichzeitg wird auch dort Ernährung immer wichtiger. „Deshalb kommen wir auch auf diesen Kanälen gut an, obwohl das anfangs nicht so offensichtlich war. Jede Plattform tickt anders, entsprechend musst du auch immer etwas anders agieren“, gibt Jüngst zu verstehen. Die jungen Gründer finden offensichtlich die richtige Ansprache. Im vergangenen Jahr steigerte air up den Umsatz um satte 350% auf 90 Mio Euro. Dieses Jahr plant das Team mit einer weiteren Verdoppelung des Umsatzes.

Helfen sollen dabei auch neue Märkte. Seit kurzem ist Schweden ans Netz gegangen und noch für dieses Jahr ist der Launch in den USA vorgesehen. Dann werden wohl auch die Hollywood-Schauspieler Ashton Kutcher und Mila Kunis in irgendeiner Form für air up in Erscheinung treten. Noch will sich Lena Jüngst dazu nicht äußern, Fakt ist aber, dass das Hollywood-Paar minderheitlich an air up beteiligt ist. Neben der Expansion steht für air up momentan das sogenannte Nearshoring Projekt oben auf der Agenda.

„Bei unserem Produkt handelt es sich um ein Hardware-Produkt. Für die Herstellung hatten wir uns für eine Fabrik in China entschieden. Zum einen aus finanziellen Gründen, aber auch weil wir einen Werkstoff nutzen, der in Europa bisher nicht fertigbar war. Für den Anfang war das sinnvoll, aber uns war immer bewusst, dass wir aus Nachhaltigkeitsgründen, und wie man jetzt mit den Folgen des Ukraine-Kriegs sieht auch aus anderen Gründen, unsere Produktion näher zu uns holen wollen. Vor allem wollten wir aber kürzere Wege zu den Kunden haben.“

In einem ersten Schritt verlagerte air up die Duftring-Produktion zunächst von China in eine Fabrik in der Türkei. Bis Jahresende soll dann auch das neue Werk in Amsterdam fertig sein und damit die Produktion der Duftring-Rohlinge (das Aroma selbst kommt INSIDERN zufolge von Döhler aus Darmstadt) komplett nach Europa umziehen. Die Flaschenproduktion soll bis Ende 2023 folgen – dem Vernehmen nach an einem Produktionsstandort in Deutschland. In den USA werden ebenfalls eigene Produktionsstätten aufgebaut – für die Nachhaltigkeit.   

 

Dieser Text erschien Ende Mai 2022 in unserem Sonderheft INSIDE FUTURE IF 2022 #1 - Das ganze Heft in der pdf lesen können Sie hier.