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Maisel tritt auf die Bremse

Volumen-Fail: Pünktlich zum Vatertag warb Netto in mehreren Regionen mit Bayreuther Hell. Die offenbar überraschende Aktion konnte jedoch nicht in allen Läden umgesetzt werden: Das Netto-Zentrallager erhielt auf wundersame Weise viel zu wenig Ware. Das könnte bald auch anderen so gehen. Bis Jahresende will Maisel am liebsten gar keine Aktionen mehr.

Staunend blickt die Branche auf die Zuwachsraten für Hellbier (lt. Nielsen +25,6% per 31.3.). Damit die Kategorie sich als hochpreisige Rettung erweist, muss Produktionskapazität her. Und der Preis gleichzeitig oben bleiben. Ein Key-Player wagt einen heißen Ritt.

Mit dem erst vor zehn Jahren erfundenem Bayreuther Hell setzte sich die Brauerei Maisel an die Spitze des Hellbiertrends. Inzwischen sind die Oberfranken am Vorbild Tegernseer (Euroflasche, hellblaue Kiste) vorbeigezogen. Außerhalb Bayerns ist Bayreuther Hell sogar die Nummer Eins. Noch vor dem großen Marktführer Augustiner. Der Erfolg fußt geschmacklich (und optisch) auf einer Kopie der südbayerischen Vorbilder. Doch anders als bei den Traditionsautisten aus München und Tegernsee fließt durch Jeff Maisels Adern reines Vertriebsblut. Von jeher pflegen Maisel und sein kongenialer Geschäftsführer Hermann-Josef Börger engen Kontakt zu GFGH und LEH. Man unterhält enge Freundschaften, gestützt von Sympathie, Rabatten, kleineren Konditionen und unterstützt – wie schon bei Maisel‘s Weisse und der Bügel-Spezialität Aktien Zwick‘l – von den Regalpflegern des Vertriebspartners Veltins

Die Nähe zu den Entscheidern machte das vom Verbraucher akzeptierte Bayreuther Hell zum Darling des Einzelhandels. Mit Folgen: Die Aktionen nahmen zu. Vom Normalpreis von 16,99 Euro und darüber ist die Kiste Bayreuther immer öfter entfernt. Der Promotion-Anteil klettert. Und die Absatzzahlen gehen durch die Decke. 

2020 konnte Bayreuther auf 450.000 hl hochschießen, nach den ersten vier Monaten 2021 sind laut INSIDERN schon wieder 30% Zuwachs oben drauf gelaufen. Das Wunderkind Bayreuther führt die ganze Brauerei an ihr Kapazitätslimit, während das gastrobedingte Minus von Maisel‘s Weisse (-20%) allein von Zuwächsen der Craftbierschiene Maisel‘s and Friends und Aktien Zwick‘l (+30%) abgeschwächt wird. 

Umfangreiche Leergutkäufe hatten Bayreuther im letzten Jahr noch verfügbar gehalten, in der Abfüllung wurde teilweise auf Artikel verzichtet. Doch jetzt drückt die Braukapazität. Und der Ton wird rauer. Einkäufer wollen nicht akzeptieren, dass ihr Darling plötzlich zickt. 

In Bayreuth reifte ein Entschluss. Maisel zieht die Reißleine. Händler aus allen Teilen der Republik berichten einhellig, dass sie von Maisel angerufen worden seien. Tenor: „Es tut uns Leid, bitte verzichtet bis Jahresende auf alle Aktionen, wir können nicht gewährleisten, genug Ware liefern zu können.“ Zugleich die Zusicherung, die vereinbarten WKZ‘s etc. trotzdem zu bezahlen. 

Vermutlich hat sich Bayreuth in dieser Angelegenheit auch kartellrechtlich beraten lassen. Einflussnahme auf Preisbildung, als das ein Abraten von Aktionen eventuell zu bezeichnen wäre, sind heikel. Richtig heikel wird es allerdings, wenn Maisels tatsächlich reagiert, wenn sich ein Händler nicht an die freundliche Bitte aus Bayreuth halten will. Einen kleinen Vorgeschmack gab es dazu vor zwei Wochen beim Edeka-Discounter Netto (siehe unten links). Ausgerechnet Edeka. Der LEH-König ist der einzige Händler, der die von Maisels für alle Artikel angekündigte Preiserhöhung per 1. Juli partout nicht akzeptieren will. Da zieht Stress auf.

Ob es gelingen kann den Rennwagen zu bremsen, ohne dabei aus der Kurve getragen zu werden, muss sich weisen. Wettbewerber werden die Entscheidung aus Bayreuth mit Wohlwollen aufnehmen. 

Mit Hellbier verknüpft sich die Hoffnung, dass die Bierkategorie, die bei Pils einen brachialen Vernichtungskampf erfährt, höhere Wertschätzung (und -schöpfung) erhält.

Alternativen aber wird der LEH finden. Große Münchner Player wie AB Inbevs Spaten oder das neue Paulaners Hell stehen parat. Andere, wie zum Beispiel Arco mit Mooser Liesl oder Paulaners Chiemseer, haben ebenfalls mit Kapazitätsthemen zu kämpfen.  

Und so wird vielerorts investiert. Nicht nur bei Marktführer Augustiner, der die Ängste über Bord geworfen hat, dass eine Verlagerung der Abfüllung das Ende des Mythos´ bedeuten würde (siehe Kasten). Auch beim Überflieger Kulmbacher, der mit Mönchshof (2020: +19,8% auf 1,15 Mio hl) schon wieder 50.000 hl über Vorjahr liegt, wird gebaut. 2023 soll für über 30 Mio Euro eine dritte Bügelanlage mit einer Kapazität von über 50.000 Flaschen je Stunde in Betrieb gehen. 

Über Kapazität für Euroflaschenhelles in blauen Kisten verfügen Bitburgs Benediktiner in Lich und die Radeberger Gruppe mit dem zaghaft aus den Startlöchern kommenden Oberdorfer beim Allgäuer Brauhaus

Dazu gesellt sich das nagelneue Starnberger Brauhaus von Florian Schuh. Dort bläst der im letzten Sommer eingestiegene Minderheitsgesellschafter Bernhard Schadeberg zur Attacke und lässt Starnberger jetzt vom Krombacher-Außendienst anschieben. Damit kommen die Pilskonditionen im Hellbiermarkt an. Krombachs Handelschef Hendrick Kuhn und Gastro-Chef Gerd Harnischmacher versichern ihren Verlegern, „sämtliche Ihnen bekannten GFGH-Konditionen, Zahlungsziele sowie Pfandsätze sind identisch mit den vergleichbaren Krombacher-Gebinden“. Mit einem Rampenpreis von 11,80 je Kiste bzw. 164,55 Euro je hl Fassbier ist Starnberger immerhin etwas teuerer als Krombacher. Doch viel Schaden kann Krombach nicht anrichten. Sollte der Roll-Out des Pilsmarktführers nur ansatzweise erfolgreich sein, stellt sich die Kapazitätsfrage. Florian Schuhs neue Brauerei am Starnberger See ist von Grundfläche und Wasserrechten auf allerhöchstens 80.000 hl ausgelegt. Das könnte bald zu wenig sein.

Mittelfristig muss auch Maisel an der Kapazitätsschraube drehen. Es sei denn, die jetzige Notbremse trägt Bayreuther nicht vollends aus der Kurve. Womöglich aber entscheidet sich in den kommenden Monaten daran nicht nur das Schicksal von Bayreuther Hell, sondern das der ganzen Kategorie. Bleibt Hellbier in der Hochpreis-Spur?       

Artikel aus INSIDE 877

MARKTFÜHRER BAUT KAPAZITÄT AUS Augustiner, mit 1,47 Mio hl Lagerbier und Edelstoff Marktführer im Hellsegment, baut die Kapazität aus. Am Logistikzentrum in München-Freiham (siehe Foto) sollen zwei Flaschenabfüllungen installiert werden. Deshalb wird mit der Stadt München über ein 13.500 qm-Gelände verhandelt. Aktuell wird noch ausschließlich in der beengten Brauerei im Münchner Westend gefüllt.

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