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Carlsberg-Bitburg: Der Wernesgrüner-Deal

Zum 1. Januar 2021 wechselt die Wernesgrüner Brauerei den Eigentümer. Tyskland kehrt auf die Konzernkarte zurück: Carlsberg investiert wieder in Deutschland. 

Schon vor zehn Jahren hatte Carlsberg seine Niederlassung Feldschlößchen-Dresden abgeworfen. Um allerdings die Erfolgsgeschichte des Konzerns in Ostdeutschland nicht zu gefährden, trennte sich Carlsberg Deutschland nicht komplett vom Abfüll- und Vertriebsstandort in Sachsen. Mit dem damaligen Käufer TCB wurde ein langfristiger Abfüllvertrag (mit Rampenfunktion) abgeschlossen. INSIDER beziffern die aktuell von TCB für Carlsberg Deutschland abgefüllten und abgesetzten Mengen auf 150.000 hl Holsten, 210.000 hl Lübzer, je 10.000 hl Astra und Carlsberg, sowie je 3.000 hl Duckstein und Tuborg. Insgesamt annähernd 400.000 hl. Ein lukratives Geschäft, das der TCB seit 2011 Geld in die Bilanzen pumpt. Und gleichzeitig die Hamburger Carlsberg-Zentrale zur Ausschau nach Alternativen bewog.

Brauerei-Tinder: Perfect Match für Dahm und Holtz

Es waren deshalb vorneweg Supply Chain-Argumente, mit denen es Deutschland-Chef Sebastian Holtz gelang, die Konzernführung in Kopenhagen für ein Investment im gesättigten deutschen Markt zu überreden. Die rund 2,5 Mio hl große Deutschland-Einheit kann neben Lübzer und der neuen Holsten-Brauerei, die durch den Verkauf der Altonaer Immobilie locker refinanziert, aber auf nur noch 1 Mio hl ausgelegt wurde, einen weiteren Standort gut gebrauchen.

Nachdem sich der seit fünf Jahren amtierende Holtz lange mit den seit 2017 feilgebotenen AB Inbev-Töchtern Hasseröder und Diebels befasst hatte (ein Deal kam letztlich nicht zustande), klopfte die Carlsberg-Delegation bei weiteren Brauereien in Deutschland an. Darunter im vergangenen Jahr bei der Bitburger Braugruppe. Es ging laut INSIDERN zunächst um Lohnaufträge für deren schlecht ausgelastete Tochter König in Duisburg.

Spätestens als Bitburger-Chef Axel Dahm zu Beginn der Coronakrise eine grundlegende Restrukturierung der Braugruppe ankündigte, wurde schnell auf das Thema Wernesgrüner geswipet: für Carlsberg das „Perfect Match“ im Brauerei-Tinder. Endlich ein topmoderner Standort für die fehlenden Abfüll- und Herstellungskapazitäten, eine Vertriebsrampe für die südlichen neuen Länder und obendrein eine ausbaufähige Marke mit Top-Bekanntheit im ganzen Osten. So ergab sich eine stattliche Kaufsumme. Laut INSIDERN legt Carlsberg ziemlich genau 65 Millionen Euro für die Wernesgrüner Brauerei auf den Tisch. Auf den Wert der Marke fiel dabei der kleinere Teil.

Weil Carlsbergs Abfüllvertrag (mit Rampenfunktion) in Dresden schon nächstes Jahr auslaufen dürfte, kommen auf die TCB-Inhaber Karsten Uhlmann und Mike Gärtner nun am 1,9 Mio hl großen Feldschlößchen-Standort in Dresden Probleme zu. Vor zwei Jahren löste Carlsbergs Gastrochef Marc Kemper die acht Jahre gültige Vertriebskooperation in der Gastronomie mit TCB/Frankfurter Brauhaus auf (INSIDE 815), jetzt kommt es noch dicker. Hamburg könnte schon sehr zeitnah beginnen, Volumen aus Dresden nach Wernesgrün abzuziehen. Auch das aktuell ausschließlich aus Dänemark importierte Flaggschiff Carlsberg (über 250.000 hl in Deutschland) könnte zumindest zu Teilen im Vogtland abgefüllt werden. Mit Sicherheit wird die Flaschenfüllung der im Osten der Republik absatzstarken 0,5 Liter-Einheit in Wernesgrün landen.

Im Vogtland ist Auslastung sehr willkommen: Die auf knapp eine Mio hl ausgelegte Brauerei ist nicht mal zur Hälfte ausgelastet. Doch befinden sich die Anlagen in technisch blendender Verfassung. Über 40 Mio Euro hat Bitburger in den letzten Jahren in den Standort investiert.

Bitburgs geschmeidiger Exit: Hektos halbiert, Kaufpreis fast gehalten

Das Volumen nahm dagegen immer ab. Kurz vor der Übernahme durch die Bitburger Braugruppe lag Wernesgrüner noch bei 850.000 hl. Damals, im Jahr 2003, strotzte Bitburger vor Kraft. Holding-Stratege Matthäus Niewodniczanski hatte kurz zuvor die gescheiterten Auslandsabenteuer, die polnischen Brauereien Bosman, Stettin, und Kasztelan, Sierpc, an Carlsberg veräußert und war bereit für weitere Akquisitionen. Der Koblenzer Notar Roland Müller hatte sich zuvor die Mehrheit an Wernesgrüner geangelt und vertickte sie Anfang 2003 an Bitburger weiter. Insgesamt rund 60 Mio Euro Kaufpreis kostete die Brauerei damals.

Die Stellung des wichtigen Neueinkaufs war Wernesgrün schnell los. Kein Jahr später erwarb Bitburg für 460 Mio Euro König und Licher. Für den Vogtland-Dollar ging es trotz tapfer beibehaltener Fernsehwerbung und hohen Investitionen in Technik und Marke nicht mehr richtig bergauf. Als mit dem Bitburger Handelsboss Heiko Schubert und dessen Nachfolger Andreas Reimer dann auch die letzten Ossis im Management abhanden kamen, verlor die Marke weitere Bedeutung. Axel Dahm stellte die Probe aufs Exempel, verordnete hintereinander zwei Preiserhöhungen. Doch mit Kastenpreisen über 10 Euro ist im preissensiblen Osten nichts zu machen. Wernesgrüner stürzte weiter ab. Zuletzt lt. INSIDERN auf ca. 440.000 hl. Knapp die Hälfte des einstigen Volumens. Bei einer Verbreitung in allen ostdeutschen Ländern fehlt der früheren DDR-Ikone die Verwurzelung. Im vermeintlichen Kernmarkt Sachsen liegt Wernesgrüner hinter Ur-Krostitzer, Radeberger, Hasseröder und Freiberger mit Feldschlößchen und Sternquell irgendwo zwischen Rang 5 und 7.

Spätestens mit Beginn der Coronakrise konnte sich auch Niewodniczanski mit einem Verkauf seiner einstigen Akquisition anfreunden. Eine große Kandidatensuche blieb aus. Verhandelt wurde einzig und allein mit Carlsberg. Die Dänen boten (dank der mitgebrachten Abfüllmengen) einen strategischen Preis. Mit 65 Mio Euro kommt Niewo (juristisch begleitet damals wie heute vom Frankfurter Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle, Dr. Hendrik Hirsch) mit einem blauen Auge davon. Was Niewo überzeugte: Die sächsischen Mitarbeiter sind bei den Dänen besser aufgehoben. Analog zur auf unter 400.000 hl gefallenen Schwester Licher wäre für Wernesgrüner in der Bitburger-Familie nur noch ein regionales Halte-Konzept vorgesehen. Somit wäre Wernesgrün von den Stellenstreichungen, die aktuell zwischen Bitburger-Geschäftsführung und Arbeitnehmern verhandelt werden, besonders betroffen. Dann doch lieber ein Verkauf.

Zumal sich der Fokus der Gesellschafterfamilien nicht mehr nur auf Bier richtet. Zeitgleich mit der Ankündigung des Wernesgrüner-Verkaufs tätigt die Tochter Bitburger Ventures mal wieder einen Zukauf. Hanf statt Bier: Für eine „mittlere einstellige Millionensumme“ steigt Bitburger Ventures beim Cannabis-Start up Sanity ein (S. 14)

Bei Carlsberg soll Wernesgrüner (inkl. rund 50.000 hl Fassbier) durch die Vertriebsorganisation, zu der nun auch einige Bitburger Ost-Außendienstler stoßen, aufgefangen werden. Hamburg fühlt sich der diffizilen Aufgabe gewachsen: Aktuell liegt Carlsberg Deutschland über alle Marken (trotz einer Holsten-Delle) leicht über Vorjahr. Wenn es mit Wernesgrüner glückt, könnten weitere Übernahmen der Dänen in Deutschland folgen. Botschaft an den Markt: Carlsberg ist wieder da.

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